„Menschenhandel“ als Vorwand:

Bundesregierung verschärft Vorgehen gegen ausländische Prostituierte und Arbeitsmigranten

Eine Allparteien-Koalition verhalf im Oktober 2004 im Bundestag und im Dezember 2004 im Bundesrat neuen Strafbestimmungen zum sogenannten „Menschenhandel“ zur Mehrheit. Damit wurde internationales in nationales Recht umgesetzt: das „Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels“ zum UN-Übereinkommen gegen organisierte Kriminalität (2000) sowie der „Rahmenbeschluss des Rates der EU zur Bekämpfung des Menschenhandels“ aus dem Jahr 2002.

Die neuen Strafbestimmungen werden von der politischen Klasse verkauft als eine Parteinahme für „Opfer“, für Frauen, Kinder und arme Schlucker, als Kampf gegen eine „organisierte Kriminalität“, die sich auch auf Kosten von Migranten/innen eine goldene Nase verdienen wolle. In Wirklichkeit wird aber nur die Inanspruchnahme von Hilfe und Unterstützung bei der Migration als „Menschenhandel“ deklariert und als „abscheuliches Verbrechen“ gegeißelt. Unabhängig von der Einwilligung der Betroffenen will man dagegen repressiv vorgehen.

Das Problem der politischen Klasse ist, dass es ein Einverständnis der „Gehandelten“ mit ihren „Händlern“ gibt: „Es ist davon auszugehen, dass aus Sicht vieler Betroffener die Täter zumindest über weite Strecken willkommene Unterstützer bei Migration, Arbeitssuche, Unterbringung und/oder Prostitutionsaufnahme sind, wodurch das Zusammenwirken von Tätern und Betroffenen häufig (zumindest phasenweise) einverständlich zu sein scheint“, erklärte die vom Bundesinnenministerium mit einem Gutachten zum Menschenhandel beauftragte Annette Hertz vom Freiburger Max-Planck-Institut anlässlich der Anhörung zum Strafrechtsänderungsgesetz (S. 52). Von „Menschenhandel“, mit dem Otto- und Emma-Normalverbraucher eigentlich gegen den Willen der Betroffenen ausgeübten Zwang und Gewalt verbinden, bleibt wenig übrig.

Zwischen „Händlern“ und „Gehandelten“ will man jetzt deshalb einen Keil treiben, um sich ungewollter Zuwanderung zu erwehren. „Händler“ sollen mit hohen Strafen abgeschreckt, Migrant/innen unter dem Vorwand des „Menschenhandels“ ausgewiesen und abgeschoben werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die bisherigen Strafrechtsbestimmungen zum Menschenhandel in massiver Weise verschärft worden:

Qualitative Verschärfungen

Die Verschärfung der bisherigen StGB-Bestimmungen zum Menschenhandel erlaubten sogar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sich gegenüber Rotgrün scheinheilig als eine um Liberalität besorgte Kraft zu profilieren: „Ich glaube, nicht nur wir von der CDU/CSU sind der Auffassung, dass damit die Tür für die Strafbarkeit viel zu weit aufgemacht wird“, so Siegfried Kauder (CDU) am 28. 10. 2004 im Bundestag. Worin bestehen die Veränderungen im einzelnen?

1. „Menschenhandel“ bei breiter Palette „sexueller Handlungen“

Der „Menschenhandels“-Vorwurf wird ausgeweitet auf andere sexuellen Handlungen jenseits von Prostitution, auf die er bislang beschränkt war. Neben einer verschärften Sanktionierung des sog. „Heiratshandels“ im § 240 StGB wird nun auch das „Bringen“ von Personen in Peepshows bzw. zur Herstellung von Pornografie als potentieller Menschenhandel ins Visier genommen.

2. „Sexuelle Ausbeutung“ im Visier

Bisher ging es im Strafrecht um „wirtschaftliche Ausbeutung“ in der Prostitution, wenn von Zuhälterei bzw. Menschenhandel im Zusammenhang mit sexueller Selbstbestimmung die Rede war. Nun aber wird erstmals und ausdrücklich gegen „sexuelle Ausbeutung“ vorgegangen, ein undefinierter und dehnbarer Plastikbegriff. „Sexuelle Handlungen“ an sich gelten jetzt als solche, „durch die sie (eine Person, DC) ausgebeutet wird“, heißt es im neuen § 232 StGB. Das zielt eindeutig auf die Kriminalisierung der Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen (vornehmlich von Migrantinnen), wenn bei ihnen zuvor durch andere eine „Zwangslage“ oder „auslandsspezifische Hilflosigkeit“ ausgenutzt wurde.

3. Verzicht auf vorherige „Kenntnis“ der Zwangslage

Im Unterschied zu den bisherigen Menschenhandels-Paragrafen §180b und §181 StGB muss nunmehr die bislang auf Täterseite erforderliche „Kenntnis“ der „Zwangslage“ oder „auslandspezifischen Hilflosigkeit“ einer Person, auf die „eingewirkt“ wird, nicht mehr vorhanden sein. Unkenntnis schützt somit nicht mehr vor Strafbarkeit.

4. Verzicht auf Koppelung von Strafbarkeit an „Vermögensvorteil“

Gestrichen wurde zudem der bislang im StGB wie auch im Gesetzentwurf zur Strafrechtsänderung enthaltene Vorbehalt, dass der Täter „um seines Vermögensvorteils willen“ handeln müsse. In der Anhörung zum Gesetzentwurf wurde moniert, bisher könnten „diejenigen Fälle nicht erfasst (werden), in denen einzelne Täter persönliche Vorteile anstreben, die sich nicht ohne weiteres als Vermögenswert ausdrücken lassen. Dazu gehören beispielsweise, eine  Person nur als individuelle Sexpartnerin ausbeuten zu können, die Befriedigung ungehemmter Machtgelüste oder auch die Möglichkeit, etwa auf deren Kinder zugreifen zu können u.ä.“ (Anhörung, S. 108). Die Streichung des Vorbehalts des „Vermögensvorteils“ machte selbst die CDU stutzig: „Meines Wissens befindet sich im StGB bis jetzt der Begriff Vorteil ohne Einschränkung nicht in dieser Allgemeinheit. Mich würde interessieren, ob sie einen so weit gefassten Begriff für justiziabel halten“, fragte Herr Götzer (CDU) in der Anhörung (Protokoll, S. 25).

5. Vom „Einwirken“ zum „Bringen“ in verschiedene Stationen

Das bislang in §180b StGB als „Menschenhandel“ kriminalisierte „Einwirken“, um eine Person unter Ausnutzung einer „Zwangslage“ bzw. „auslandsspezifischer Hilflosigkeit“ zur Aufnahme einer (bisher nur als Prostitution gefassten) Tätigkeit zu „bestimmen“, wandelt sich in den neuen StGB-Paragrafen nun zu einem „Bringen“ in ganz verschiedenartige Stationen, die jede für sich genommen den Tatbestand des Menschenhandels konstituieren können: Anwerbung, Beförderung, Beherbergung und Aufnahme. In dieser Ausweitung des bisherigen Verständnisses von Menschenhandel manifestiert sich die Übernahme der entsprechenden UN-Definition, durch die dessen Strafbarkeit wesentlich weiter gefasst wird.

6. Ausweitung des „Menschenhandels“-Vorwurfs auf „Ausbeutung der Arbeitskraft“

Bei der Erweiterung auf den „Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft“ geht es – laut Gesetzgeber – um eine Kriminalisierung der Verbringung „in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft oder zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Beschäftigung… zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen“ (§ 233 StGB).

Arbeitsbedingungen, die in „auffälligem Missverhältnis“ zu anderen vergleichbaren Arbeitsverhältnissen stehen, werden – im Unterschied zu § 406 SGB III („Unerlaubte Auslandsvermittlung“) – nunmehr als „sklavereiähnliche Arbeitsbedingungen“ bezeichnet und mit einem höheren Strafmaß als dort belegt. Da § 406 SGB III bereits ein Abweichen vom üblichen Arbeitslohn in Höhe von 20 % kriminalisiert, wird ein an zu geringer Lohnhöhe festgemachter Begriff von „Sklaverei“ bald zu dessen inflationärem Gebrauch führen.

Der Bamberger Generalstaatsanwalt Wabnitz monierte in der Gesetzes-Anhörung zudem, dass unangemessene Arbeitsbedingungen nach § 406 SGB III mit max. 3 Jahren Freiheitsstrafe, im neuen § 233 StGB hingegen mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden: „Hier werden Handlungen im Vorfeld einer unangemessenen Beschäftigung meiner Meinung nach härter bestraft, als die eigentliche Beschäftigung.“ (Anhörung, S. 22) Das sah auch Prof. Renzikowski kritisch: „Handlungen zur Vorbereitung späterer Ausbeutung dürfen grundsätzlich nicht schwerer bestraft werden als die Ausbeutung selbst.“ (Anhörung, S. 97)

7. „Förderung des Menschenhandels“: ein neuer eigenständiger Straftatbestand

Der eigentliche Knackpunkt der neuen Strafgesetzgebung besteht im § 233a StGB („Förderung des Menschenhandels“). Mit ihm werden sog. „Förderhandlungen“ nicht mehr wie bisher als teilnehmende „Beihilfe“, sondern als eigenständige Straftatbestände gefasst und auch die „versuchte Beihilfe“ – im deutschen Strafrecht bislang ausnahmslos straflos – erstmals unter Strafe gestellt. Der EU-Rahmenbeschluss ebenso wie das UNO-Zusatzprotokoll von Palermo haben „viele Beteiligungshandlungen als eigene Tathandlung ausgestaltet und für diese Handlungen auch eine Versuchsstrafbarkeit verlangt, was mit unserer Dogmatik nicht funktioniert. Versuchte Beihilfe ist überhaupt nicht strafbar und ich brauche für jede Beteiligungsstrafbarkeit eine zumindest versuchte Haupttat, und da es sich hier teilweise nicht mal um Verbrechenstatbestände handelt, eine vollendete Haupttat.“ (Prof. Renzikowski, S. 15, Anhörung).

Gegen die Logik des bisherigen deutschen Strafrechts werden nun über den Umweg eigenständiger Förderungsstraftatbestände eine (versuchte) Beihilfe auch dann bestraft, wenn es gar keine Haupttat gibt, zu der sie eine „Beihilfe“ hätten sein können. Hier setzt die Strafrechtsänderung zum Menschenhandel durchaus neue Denk-Maßstäbe.

8. Strafbarkeit des Versuchs einer teilnehmenden Beihilfe

Zugleich hat man damit die Strafbarkeit des Versuchs einer teilnehmenden Beihilfe eingeführt, was nach bisherigem Strafrecht nicht möglich war. Noch in dem im Mai 2004 vorgelegten Gesetzesentwurf hieß es, dass „die Strafbarkeit des Versuchs eine zu weit gehende Vorverlagerung der Strafbarkeit“ bedeute (Begründung GE, S. 21). Ein halbes Jahr später waren sämtliche Skrupel verflogen.

9. Verzicht der Anpassung des Schutzalters von „Menschenhandels-Opfern“ an internationale Standards

Anders als es der EU-Rahmenbeschluss vorsieht, wird das Schutzalter für Menschenhandel nicht auf 18 Jahre festgelegt, sondern weiter bei 21 Jahren belassen. Damit werden ausländische Prostituierte über 18 Jahre dem besonderen deutschen Jugendschutz unterworfen bzw. deren Vermittler entsprechend härter bestraft. Eine Anpassung an europäisches Recht wurde hier bezeichnenderweise unterlassen! Zudem wird diese Altersgrenze ohne Begründung auch auf den „Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft“ übertragen. MdB Schewe-Gerigk (Bündnis 90/Die Grünen) nannte in der 3. Lesung des Gesetzes als Begründung dafür, dass die Menschenhandelsopfer „überwiegend der Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen angehören.“ (S. 6) Ein kurzer Blick in das „Lagebild Menschenhandel 2002“ des BKA hätte sie da eines Besseren belehren können. Die 18- bis 20-Jährigen liegen dort bei 22,7% der 881 „Opfer“.

Strafbestimmungen gegen eine auf Freiwilligkeit basierte Migration

Neue wie alte Gesetzgebung zielen im Kern gegen eine auf Freiwilligkeit basierende Vermittlung in die Migration. Die ganze Verlogenheit des sogenannten „Opferschutzes“ im Kontext von „Menschenhandel“ besteht darin, freiwillige Migration in eine zwangsweise umzudeuten, indem man die Einwilligung in die organisierte Migration jede Freiwilligkeit abspricht und die Migrantinnen anschließend zu gehandelten „Opfern“ deklariert.

Laut UN-Protokoll Art. 3a ist die Einwilligung eines „Opfers“ von Menschenhandel in die „beabsichtigte Ausbeutung“ unerheblich, wenn Gewalt, Nötigung, Entführung, Betrug oder ein „Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit“ vorliegen. Wenn aber Gewalt und Nötigung einerseits, „Machtmissbrauch“ und „Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit“ andererseits gleichermaßen konstitutiv für Menschenhandel sind, wird die Unterscheidung zwischen „Zwang“ und „Freiwilligkeit“ systematisch eingeebnet. Was bleibt ist der Zwang und der Vorwurf des „Menschenhandels“, um die freiwillige Migration zu kriminalisieren. Der EU-Rahmenbeschluss von 2002 hält es in Art. 1 Abs. 2 genauso: „Das Einverständnis eines Opfers vom Menschenhandel zur beabsichtigten oder tatsächlich vorliegenden Ausbeutung ist unerheblich“, wenn eine Anwerbung bzw. Beförderung unter „Missbrauch einer Machtstellung oder Ausnutzung einer Position der Schwäche“ erfolgt.

Im deutschen Strafrecht reicht die Ausnutzung einer „Zwangslage“, einer „Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist“ oder die Verbringung in Arbeitsbedingungen, die in auffälligem Missverhältnis zu vergleichbaren Arbeitsverhältnissen stehen, um trotz Einvernehmlichkeit „Menschenhandel“ zu konstruieren. Zwang, Täuschung und Gewalt sind mithin keine notwendigen Voraussetzungen für das Erfüllen des Tatbestands „Menschenhandel“, der damit bewusst niedrigschwellig definiert ist: Eine „persönliche Zwangslage“ besteht bereits bei Wohnungslosigkeit oder persönlichen „Ausnahmesituationen“ wie Scheidung und Arbeitslosigkeit (Tröndle/Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2001). Bei illegal in Deutschland sich aufhaltenden Prostituierten begründet schon die „Furcht vor Ausweisung und Abschiebung“ (Tröndle/Fischer) eine „Zwangslage“, die ja vor allem durch die staatliche Ausländergesetzgebung hervorgerufen wird. Hinzu kommt: „Die Zwangslage muss nicht objektiv bestehen, wohl aber von den Opfern subjektiv empfunden werden.“ Die sogenannte „auslandsspezifischen Hilflosigkeit“ liegt auch schon vor bei mangelnden Sprachkenntnissen oder wenn die Betroffenen hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung auf die „Täter“ angewiesen sind.

Vorwand „Opferschutz“

Solche Deutungen verkehren den behaupteten „Opferschutz“ endgültig in eine Kriminalisierung der Vermittler. Damit werden nicht Opfer geschützt, sondern „Opfer“ produziert: durch Straftatbestände, die eine freiwillige Migration kriminalisieren. Es ist nichts anderes als eine Form von staatlichem Rassismus, wenn Migrantinnen in ein verlogenes Opfer-Täter-Schema gepresst und Migrationsbewegungen als Ausdruck „organisierter Kriminalität“ bekämpft werden. Nach solch einer Logik hätte man getrost sämtliche Gastarbeiter der 50er Jahre als „Menschenhandelsopfer“ und den damaligen deutschen Staat als Verbrechersyndikat bezeichnen können.

Die Befürworter der neuen Strafbestimmungen zum Menschenhandel kommen nicht als konservative Hardliner, sondern als Wölfe im Schafspelz des „Operschutzes“ daher. Damit ließ sich bislang noch jede Verschärfung des Strafrechts verkaufen. Gleichzeitig wird die Statistik aufpoliert. Menschenhandelsfälle werden schon deshalb zunehmen, weil bisher unter § 92a Ausländergesetz bzw. zukünftig § 96 Zuwanderungsgesetz („Einschleusen von Ausländern“) verhandelte Sachverhalte nun vermehrt unter „Menschenhandel“ eingeordnet werden können.

Strafbestimmungen gegen einheimische Bevölkerung gerichtet

Wer glaubt, es ginge hier allein oder zentral um bzw. gegen Migranten/innen, irrt sich. Der Kampf gegen „Menschenhandel“ richtet sich im Kern immer deutlicher gegen die inländische Bevölkerung. So heißt es etwa in Art. 9, Abs. 5 UN-Menschenhandels-Protokoll: „Die Vertragsstaaten treffen oder verstärken gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen, wie etwa erzieherische, soziale oder kulturelle Maßnahmen, so auch durch zwei- und mehrseitige Zusammenarbeit, um der Nachfrage entgegenzuwirken, die alle Formen der zum Menschenhandel führenden Ausbeutung von Personen, insbesondere von Frauen und Kindern, begünstigt.“

Was bedeutet das? Migranten/innen, die zunächst im Niedriglohnsektor Fuß fassen, werden zu „Opfern“ von Menschenhandel deklariert, weil sie für wenig Lohn arbeiten, nicht aber weil sie gegen ihren Willen „gehandelt“ werden. Sie sollen nun aber nicht höhere Löhne, mehr soziale Sicherheit und einen legalen Aufenthaltsstatus bekommen. Weit gefehlt. Vielmehr hat die hiesige Bevölkerung ihre sozialen Standards soweit abzusenken, dass man auf die illegalen Arbeitsmigranten verzichten kann:

„Fast alle Personen, die von Menschenhandel betroffen werden, sind zu Beginn Migrantinnen auf Arbeitssuche. Sie werden durch die Nachfrage nach Arbeitskräften in anderen Ländern in den Migrationsstrom hineingezogen. Diese Nachfrage gibt es, weil sich die Bürger und Menschen mit Aufenthaltserlaubnis vieler Länder weigern, Niedriglohnarbeit anzunehmen. Es gibt Arbeit, doch niemand außer den Migrantinnen möchte sie tun… Um es MenschenhändlerInnen zu erschweren, in ArbeitsmigrantInnen leichte Opfer zu haben, sollten die Regierungen ‚gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen treffen oder verstärken…, um der Nachfrage’ nach undokumentierten, hilflosen, ausbeutbaren Arbeitsmigrantinnen ‚entgegenzuwirken’.“ So Ann D. Jordan, Direktorin der „Initiative Against Trafficking in Persons / International Human Rights Law Group“, die in einem „Handbuch zum Menschenhandelsprotokoll der Vereinten Nationen“ (2002, S. 21) dessen sozialen Sinn damit treffend zum Ausdruck gebracht hat.

Genau dies passiert gegenwärtig in der Bundesrepublik. Dass Menschen hier sich fortan nicht mehr weigern, Niedriglohnarbeit anzunehmen, dafür sorgen u. a. 1-Euro-Jobs im Rahmen von Hartz IV. Die neuen Strafbestimmungen gegen „Menschenhandel“ flankieren somit die Hartz-Gesetze: Der Niedriglohnsektor soll fortan den in Deutschland legal lebenden Arbeitslosen zustehen, um deren staatliche Alimentierung zu verringern, nicht aber (illegalisierten) Arbeitsmigrantinnen. Das ist der gegen die eigene Bevölkerung gerichtete Kern der neuen Strafbestimmungen.

NGOs und Polizeifeministinnen im Vorfeld aktiv

Elf NGOs, darunter die in Deutschland agierenden KoK e.V. („Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt im Migrationsprozess“, Potsdam) und Ban Ying (Berlin) waren direkt am Zustandekommen des UN-Menschenhandelsprotokolls beteiligt, dem seinerzeit viele Emigrationsländer ihre Zustimmung verweigerten, weil sie darin eine fremdenfeindlich motivierte Kriminalisierung von Einwanderung sahen. Darüber hinaus war das sog. Palermo-Abkommen gegen „organisierte Kriminalität“ auch als Ganzes umstritten: Wer den Vertrag ratifizierte, musste Banken künftig dazu verpflichten, Ermittlern Kontounterlagen zugänglich zu machen. Das Bankgeheimnis dürfe nicht länger für die Fortsetzung von Geldwäsche missbraucht werden, hieß es zur Begründung. „Manche Delegierte haben die Befürchtung geäußert, die UN wollten den weltweiten Überwachungsstaat schaffen“, schrieb seinerzeit die Süddeutsche Zeitung (14. 12. 2000).

All dies hinderte NGOs nicht an einer Kooperation. So schrieb eine Vertreterin der an den Verhandlungen beteiligten NGO ‚International Human Rights Law Group’: „Die Staaten, die das Menschenhandelsprotokoll unterzeichnen, müssen angemessene Wege finden, mit NGOs zusammenzuarbeiten… Ein Teil der Kooperation sollte auch die staatliche Finanzierung von NGO-Tätigkeiten einschließen.“ „NGOs und Strafverfolgungsbehörden müssen zusammenarbeiten… Die Erfahrung zeigt, dass der Beitrag von NGOs oft sehr dabei hilft, die Arbeitsweise der BehördenmitarbeiterInnen dahingehend zu ändern, die Rechte von Betroffenen zu schützen und zur Strafverfolgung beizutragen.“ (S. 30, 32)

Ihr Ziel im Hinblick auf „menschenrechtliche Maßnahmen gegen Menschenhandel“ sahen die an den Verhandlungen beteiligten NGOs im Wesentlichen erreicht. So habe man dazu beigetragen eine Definition zu erarbeiten, wonach „es ohne jede Anwendung von Zwang zu Menschenhandel kommen kann“(9). Zudem schlug man vor, den Begriff „sexuelle Ausbeutung“ zu verwenden, „ihn aber undefiniert zu lassen“, um auch jene zu besänftigen, die selbst freiwillige und legale Prostitution von Erwachsenen als Ausdruck von „Menschenhandel“ deklarieren wollten.

Es verwundert daher nicht, dass es in der Anhörung zur Änderung der bundesdeutschen Strafrechtsbestimmungen zum Menschenhandel ausgerechnet der Vertreterin von Kobra (Hannover), einer mit der Polizei kooperierenden NGO, vorbehalten blieb, die neuen Strafbestimmungen „uneingeschränkt zu begrüßen“. Eine Kritik anderer NGOs an der Strafrechtsänderung zum Menschenhandel hat man bisher nicht vernehmen können.