Internationaler Frauentag: Stellen Sie sich mal vor…

… Sie sind hierzulande als Frau selbständig oder freiberuflich tätig. Zum Beispiel als Heilpraktikerin oder Journalistin, als Pächterin eines kleinen Kiosk oder einer Kneipe, als technische Zeichnerin oder als Beraterin, Rechtsanwältin, Ärztin etc.

Zu Ihnen käme der Vermieter, dessen Räume Sie für Ihre Tätigkeit nutzen, und eröffnet Ihnen, dass er in Zukunft höchstpersönlich Ihre Steuern einkassieren wird. Und zwar täglich.

Sie würden sich wahrscheinlich an den Kopf greifen und am Verstand dieser Person zweifeln. Sie würden vermutlich entgegnen, dass Sie Ihre Steuern auch ohne seine „Hilfe“ zahlen könnten und dass ihn das im Übrigen auch gar nichts anginge. Schließlich gibt es in Deutschland ein Steuergeheimnis. Zudem sind Sie selbständig tätig und der Vermieter wäre daher nicht Ihr Arbeitgeber (der Lohnsteuer einbehalten und ans Finanzamt abführen darf).

Stellen Sie sich vor, Ihr Vermieter würde trotzdem nicht locker lassen. Schließlich sei es doch eine „Vereinfachung“, wenn Sie Ihre Steuer direkt über ihn, den Vermieter, portionsweise als Vorauszahlung ans Finanzamt abführen könnten. „Wie soll das bitte schön konkret ablaufen?“, fragen Sie Ihren Vermieter. Der erklärt: „Sie zahlen ab jetzt jeden Morgen, bevor Sie Ihre Arbeit beginnen, einen festen Betrag von 25 € an mich, ganz gleich, ob Sie an jenem Tag Kunden bedienen, etwas verkaufen oder umsetzen werden.“ Das Geld, so der Vermieter, würde er selbstverständlich ans Finanzamt weiterleiten. Allerdings könne er dafür leider keine Quittung ausstellen.

Spätestens jetzt würden Sie Ihren Vermieter fragen, ob es bei ihm noch richtig tickt. Jeder weiß doch, dass niemand in Deutschland täglich eine Steuervorauszahlung entrichten muss. Und schon gar nicht über den Vermieter. Und auch nicht alle denselben Betrag. Immerhin gibt es noch so etwas wie unterschiedliche Steuerklassen, je nachdem ob man verheiratet ist etc. Zudem ist für die Höhe der Steuern immer noch der tatsächliche Verdienst maßgeblich. Spätestens dann, wenn Ihr Vermieter behauptet, die Steuerfahndung sei hinter ihm her und nötige ihn, dies alles seinen Mieterinnen vorzuschlagen, ansonsten würden die Herren vom Finanzamt kommen und sein Haus auf den Kopf stellen, spätestens dann wären Sie der festen Überzeugung, Ihr Gesprächspartner sei ein Fall für die Klapse.

Sie mögen die hier dargestellte Geschichte für grottenschlecht, frei erfunden, bestenfalls für kafkaesk halten. Sie glauben, so etwas gibt es in Deutschland nicht. Aber Sie irren gewaltig! Das, was Sie eben gelesen haben, ist in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren tausenden Frauen passiert, und zwar täglich. Und es passiert auch heute, jeden Tag aufs Neue. Mit Billigung der für Frauen zuständigen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Finanzminister Steinbrück (SPD).

Das schweigende Einverständnis der christlichen Kirchen zu dieser Diskriminierung versteht sich von selbst.

Man nennt diese Art der Steuereintreibung „Düsseldorfer Verfahren“. „Die in Hessen derzeit vorgenommenen Überlegungen zur Einführung eines an das ‚Düsseldorfer Verfahren’ angelehnten Verfahrens beinhalten vom Charakter her eine Steuervorauszahlung“, bestätigte Hessens Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) in einem Schreiben an Doña Carmen vom Dezember 2007. Ein Jahr später, seit Herbst 2008, ist die hessische CDU dabei, dieses allen normalen Maßstäben ganz offenkundig widersprechende Verfahren flächendeckend einzuführen. So wie zuvor die CDU-Regierungen in Baden-Württemberg, die SPD- Regierung in Rheinland-Pfalz und der rot-rote Senat in Berlin.

Es bedarf lediglich zweier Voraussetzungen, dass auch Sie von dem in obiger Darstellung geschilderten Verfahren betroffen sind: 1. Sie sind eine Frau. (Es betrifft in der Regel keinen Mann.) 2. Sie sind beruflich in der Prostitution tätig (betrifft in Deutschland mind. 200.000 Frauen).

Was in Anwendung auf jeden anderen Beruf, der von den herrschenden politischen Klassen und ihrer Rechtsordnung akzeptiert wird, als geradezu unvorstellbare, ja absurde Praxis erscheinen würde, ist für den seit 2002 rechtlich angeblich nicht mehr diskriminierten Beruf der Prostituierten bittere Realität.

Wir von Doña Carmen sagen: Diese diskriminierende Praxis der gezielten wirtschaftlichen Existenzvernichtung im Falle von Prostitutionstätigkeit ist durch und durch patriachalisch und zutiefst frauenfeindlich. Frauen in der Prostitution haben die Solidarität aller übrigen Frauen gegen Existenzvernichtung durch Sonderbesteuerung verdient.

Wir sagen ganz klar: Das Einkassieren einer täglichen Steuervorauszahlung für Frauen in der Prostitution ist rechtswidrig. Es handelt sich um eine eklatante steuerrechtliche Diskriminierung und verstößt gegen einschlägige Paragrafen: § 30, § 85, § 162 und § 208 Abgabenordnung. Darüber hinaus verletzt es Bestimmungen des Strafrechts ebenso wie Bestimmungen des Datenschutzes.

Zudem verstößt das „vereinfachte Vorauszahlungsverfahren“ gegen eine ganze Reihe von Artikeln des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: gegen Art.3, Abs.1 GG (allgemeiner Gleichheitsgrundsatz), gegen Art.2 Abs.1 GG (Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) gegen Art.12, Abs.1 GG (Berufsausübungsfreiheit), gegen Art.19 Abs.4 GG (Rechtsweggarantie) sowie gegen das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 Grund-gesetz. Die Sonderbesteuerung von Prostituierten nach dem so genannten „Düsseldorfer Verfahren“ ist daher verfassungswidrig.

Aus den genannten Gründen strebt Doña Carmen e.V. eine Verfassungsklage gegen die Sonderbesteuerung von Prostituierten an.

Wir fordern alle Menschen mit Sinn für Gerechtigkeit auf, sich über das genannte Sonderbesteuerungsverfahren zu informieren (nähere Infos: www.donacarmen.de) und die von uns ins Auge gefasste Kampagne für eine Verfassungsklage ideell und materiell zu unterstützen.

  • Steuer: Ja – Sonderbesteuerung: Nein danke!
  • Weg mit dem „Düsseldorfer Verfahren“! – Verfassungsklage!
  • Keine steuerrechtliche Diskriminierung von Frauen in der Prostitution!
Verantwortlich: Doña Carmen e.V., Elbestraße 41, 60329 Frankfurt
Kontakt: Tel / Fax 069 / 7675 2880;  www.donacarmen.de
Spenden bitte an: Doña Carmen e.V., Konto 466 166; BLZ 50050201; Frankfurter Sparkasse 1822

Schreibe einen Kommentar