PRESSEMITTEILUNG – Leipziger Justizposse: Bundesverwaltungsgericht schützt Jugend und öffentlichen Anstand vor „nicht wahrnehmbarer Ausübung der Prostitution“!

Mit seinem Urteil vom 17.12.2014 hat das Bundesverwaltungsgericht einer Klage der Stadt Frankfurt/Main gegen das „Wohnungsbordell Chantal“ Recht gegeben. Damit bestätigt das oberste deutsche Verwaltungsgericht, dass der den Sperrgebietsverordnungen zugrunde liegende Ermächtigungsparagraf Art. 297 Einführungsgesetz Strafgesetzbuch ein Verbot von Prostitution auch dann rechtfertigt, wenn „eine öffentlich nicht (!) wahrnehmbare Ausübung der Prostitution“ vorliegt, bei der „eine konkrete Belästigung der Öffentlichkeit durch Begleiterscheinungen der Prostitution“ nicht (!) besteht. (vgl. Pressemitteilung des BVerwG Nr. 83/2014 zu BVerwG 6 C 28.13) Der „öffentliche Anstand“ in Deutschland bleibt damit gewahrt – so das Gericht. Kinder und Jugendliche dürfen aufatmen! Sie bleiben geschützt!

Wie kein anderes Urteil belegt diese Einlassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es in Fragen der Prostitution nicht um einen rationalen Interessenausgleich geht, sondern um juristisch verbrämte Machtpolitik, deren einziges Anliegen es ist, mit bizarren Argumentations-Pirouetten überkommene Rechtsmaßstäbe des vergangenen Jahrhunderts in das neue Jahrhundert hinüberzuretten.

Wenn das oberste Verwaltungsgericht in seinem argumentativem Notstand glaubt, das Schreckgespenst einer durch Prostitution stets und regelmäßig erzeugten „milieubedingten Unruhe“ an die Wand malen zu müssen, so wird offenkundig, dass hier jeglicher rationalen Verständigung über „legitime Gemeinwohlziele“ der Boden entzogen wird. Die befürchtete „milieubedingte Unruhe“ erscheint als „abstrakte (!) Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Jugendschutzes oder des öffentlichen Anstandes“ (Pressemitteilung des BVerwG Nr. 83/2014 zu BVerwG 6 C 28.13). Damit macht das Gericht auch dem Letzten klar, dass es ihm um eine mutwillige, an den Haaren herbeigezogene Konstruktion von Gefährdungen geht, dessen Sinn einzig und allein darin besteht, traditionsbewusst die Interessen notorischer Prostitutionsgegner zu bedienen.

Mit dem obligatorischen Verweis auf nahe gelegene und insofern „abstrakt“ von Prostitution beeinträchtigte Kindertagesstätten und Schulen versuchen die Leipziger Richter/innen ihrer Argumentation den Anschein von Realitätsbezug zu geben. Tatsächlich aber ist die vom Bundesverwaltungsgericht simulierte Rücksichtnahme auf eine angeblich „besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität“ von Wohngebieten kein Jugendschutz, sondern ein zynischer Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Sie werden instrumentalisiert, um einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen zu unterbinden.
Wer wie Frankfurts Ordnungsdezernent Frank (CDU) einer solch primitiv gestrickten höchstrichterlichen Rechtsprechung applaudiert und von deren geistigem Vakuum fasziniert ist, muss sich um den schleichenden Zerfall staatlicher Autorität nicht mehr sorgen. Die Leipziger Justizposse dürfte eigentlich nur Hohn und Spott ernten, wären da nicht die erheblichen Nachteile für die betroffenen Menschen im Prostitutionsgewerbe als absehbare Folgen des Gerichtsurteils

Ganz nebenbei lieferte die Weisheit des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts einen erneuten Beleg dafür, dass das Prostitutionsgesetz von 2002 nichts taugt, wenn es um eine konsequente rechtliche Gleichstellung von Sexarbeit mit anderen Erwerbstätigkeiten geht.

Deshalb fordert Doña Carmen e.V. eine vollständige Legalisierung von Prostitution, die diesen Namen tatsächlich verdient. Voraussetzung dafür ist die Abschaffung diskriminierender strafrechtlicher Sonderbestimmungen wie etwa die des Art. 297 EG Strafgesetzbuch (Ermächtigung zu Sperrgebietsverordnungen).

Das grundgesetzlich geschützte Recht auf ungehinderte Berufsausübung darf auch Sexarbeiter/innen in der Prostitution nicht länger vorenthalten werden!