In den Fußstapfen der CDU/FDP-Vorgängerregierung:

 Grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg für repressive Reglementierung der Prostitution!

Mit Schreiben vom 20. Februar 2013 hat die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg durch eine „Stellungnahme“ der Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren, Karin Altpeter (SPD), einen Antrag der CDU-Landtagsfraktion zur Situation der Prostitution in Baden-Württemberg und zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes in diesem Bundesland beantwortet. Die Antwort (Drucksache 15/2984) erfolgte „im Einvernehmen“ mit den SPD-geführten Innenministerium sowie dem ebenfalls SPD-geführten Integrationsministerium.

Die baden-württembergische Landesregierung spricht sich – anknüpfend an die Sprachregelung der damaligen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und anknüpfend an Positionen der CDU/FDP-Vorgängerregierung – für eine repressive Reglementierung der Prostitution aus: „Es bedarf eines insgesamt breiteren Ansatzes zur Reglementierung der Prostitution, der insbesondere konsequent die Bekämpfung von Menschenhandel, Zwangsprostitution und Minderjährigenprostitution integriert und auf einen größtmöglichen Schutz von Prostituierten vor Gewalt und Ausbeutung abzielt.“ (Drucksache 15/2984, S. 3)

Warum Prostituierte derart schutzbedürftig sind, erklärt die Stellungnahme nicht. Sie bezieht sich im Übrigen ausschließlich auf eine „polizeiliche Sicht“ der Dinge – eine andere Sichtweise scheint es für Grün-Rot nicht zu geben oder scheint dieser Landesregierung fremd:

„Die korrespondierenden Änderungen im StGB, insbesondere der §§ 180a, 181a und 232 StGB (Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung) haben aus polizeilicher Sicht die Bekämpfung der Zwangsprostitution erschwert. Ermittlungen können nicht mehr anhand objektiver Kriterien im Zusammenhang mit der Förderung der Prostitution geführt werden, sondern basieren ausschließlich auf Opferangaben zum Nachweis einer ausbeu-terischen oder dirigistischen Zuhälterei. Diese können nur in wenigen Einzelfällen erlangt werden. Eine Eindämmung der Zwangsprostitution wurde insoweit nicht erreicht.“ (S.4)

Die Ausführungen gründen auf der üblichen Schuldzuweisung an die vermeintlichen Opfer, dass sie ihren Opferstatus gegenüber der Polizei nicht offenbaren. Aber diese Grundannahme der ’schweigenden Opfer‘ ist seit der Studie von Herz/Minthe  „Straftatbestand Menschenhandel“ (2006) weitgehend in sich zusammengebrochen, der Verweis auf ein großes Dunkelfeld im Kontext von Rotlicht-Kriminalität mithin irreführend.

Die baden-württembergische Landesregierung bezieht in ihrer „Stellungnahme“ den – wie sie selbst einräumt – „mehrdeutigen“ Begriff der Zwangsprostitution auf die Straftatbestände §180a StGB („Ausbeutung von Prostituierten“) bzw. § 181a StGB („Zuhälterei“). Dort, wo sie hätte Zahlen beibringen können – nämlich hinsichtlich der Täter- bzw. Opferzahlen bei diesen Delikten speziell für Baden-Württemberg -, da verzichtet die „Stellungnahme“ wohlweislich darauf. Es wäre aber mit Sicherheit eine Blamage gewesen.

Denn es ist mittlerweile bekannt, dass diese Zahlen bundesweit (und somit auch im „Ländle“) extrem rückläufig sind. Bei dem Delikt „Förderung der Prostitution“ / „Ausbeutung von Prostituierten“ verzeichnete man 2001, im letzten Jahr vor Einführung des ProstG, 904 mutmaßliche Opfer, 2011 waren es bundesweit nur noch 62. Ein Rückgang von 93 %. Im Jahr  2010 gab es bundesweit nur noch eine einzige Verurteilung bei dieser Deliktart! Ähnlich liegen die Dinge im Falle der so genannten „Zuhälterei“: Die Zahl der mutmaßlichen Opfer sank von 1.101 im Jahre 2001 auf 253 im Jahr 2011, was einem Minus von 77 % entspricht. Hier gab es bundesweit 2010 nur noch 36 Verurteilungen.

Schon vor Einführung des Prostitutionsgesetzes unterstellte man vermeintlichen Opfern der so genannten „Rotlicht-Kriminalität“, sie würden aus Druck und Angst nicht mehr aussagen. Heute bedient man sich immer noch dieser einfallslosen Argumentation. Dass man es trotz der seit 2002 intensivierten polizeilichen Razzien und Kontrollmaßnahmen dennoch nicht vermochte, höhere Rotlicht-Kriminalitätsraten vorzuweisen, wird dann der Einfachheit halber dem Prostitutionsgesetz in die Schuhe geschoben.

Aber der Zweck scheint auch hier die Mittel zu heiligen, wenn es um die Rechtfertigung eines repressiveren Umgangs mit Prostitution gehen soll: „Aus polizeilicher Sicht ist insbesondere die Einführung von gewerberechtlichen Kontrollbefugnissen erforderlich, um die Bedingungen, unter denen die Prostitution praktiziert wird, zum Schutz der dort tätigen Personen einer rechtsstaatlichen Kontrolle zu unterwerfen und kriminelle Begleiterscheinungen vorzubeugen.“ (Stellungnahme, S. 4)

Der den Prostituierten in Aussicht gestellte – oder besser: aufgenötigte – „Schutz“, nach dem sie nicht verlangt haben, erweist sich bei Licht betrachtet als Ausweitung von „Kontroll-befugnissen“. Schutzrechte für die Polizei statt Rechte für die Frauen – so lautet das Motto der grün-roten baden-württembergischen Landesregierung. Folge wäre eine fortgesetzte Entrechtung der Prostituierten. Stolz verweist man in diesem Zusammenhang auf die Praktiken in Stuttgart: „Das Polizeipräsidium Stuttgart führt täglich umfangreiche Präsenz- und Kontrollmaßnahmen im Stuttgarter Rotlichtmilieu durch. Zusätzlich werden behördenübergreifende Kontrollmaßnahmen durchgeführt und lageorientiert Einsatzkonzepte umgesetzt… Durch dieses vernetzte Vorgehen sind ressortübergreifende Überprüfungen möglich und wird der Kontrolldruck aufrechterhalten.“ (Stellungnahme, S. 5)  

Offensichtlich sind selbst diese „täglichen umfangreichen Präsenz- und Kontrollmaßnahmen“ nicht ausreichend, um das eigene Weltbild einer durch und durch gewalttätigen und von Ausbeutung gekennzeichneten Prostitution zu bestätigen. Noch mehr Überwachung und Kontrolle muss her: Das ist alles, was die grün-rote Landesregierung mit der geplanten Änderung des Prostitutionsgesetztes in Aussicht stellt.

Damit knüpft man an die berüchtigte „Entschließung“ des Bundesrats „Stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten“ vom 21. Mai 2010 an und verhehlt nicht sein Missfallen darüber, dass die gewünschten schärferen Regelungen gegenwärtig an der Haltung des Bundesjustizministeriums scheitern: „Das Bundesministerium der Justiz verschließt sich als einziges beteiligtes Ressort der in der Bundesratsentschließung geforderten Reglementierung. Argumentiert wird dort vor allem damit, dass Prostitution eine persönliche Betätigung ähnlich wie die freien Berufe sei, worauf die gewerberechtlichen Mechanismen nicht passten.“ (Stellungnahme, S. 6)

Sollte das die Argumentation des Bundesjustizministeriums sein, findet sie die volle Unterstützung von Doña Carmen e.V.

Denn klar ist: Der zweite Anlauf zu einer konsequenteren Legalisierung von Prostitution kann nicht darin bestehen, den ersten Versuch komplett zunichte zu machen und das Prostitutionsgewerbe mit einem sachlich unbegründeten Kontroll- und Überwachungsregime zu überziehen. Eine konsequente Legalisierung von Prostitution muss mit den Halbheiten des ProstG von 2002 Schluss machen und muss eine Ausweitung der Rechte von Prostituierten beinhalten. Denn zur Anerkennung von Prostitution als Beruf gehört die Anerkennung selbständig ausgeübter Prostitution als „freiberufliche Tätigkeit“ im Gewerberecht (nach § 6 GeWO), im Baurecht nach § 13 Baunutzungsverordnung sowie im Steuerrecht nach § 18 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz.

Die baden-württembergische Ministerin Altpeter (SPD) setzte sich als Landtagsabgeordnete bereits in früheren Jahren gemeinsam mit dem Fellbacher Oberbürgermeister Palm (CDU) zu einem Zeitpunkt für das Verbot des dortigen Flatrate-Bordells ein, als der Leiter der Kriminalpolizei bei der Polizeidirektion Waiblingen dort weder Straftaten noch den Verdacht auf Straftaten registrieren konnte. (Stuttgarter Nachrichten online, 03.07.2009) Mit der staatlich gebotenen Neutralität gegenüber Prostitution ist es bei der Katholikin Altpeter mithin nicht weit her. Dass wird auch in ihrer „Stellungnahme“ für die grün-rote Landesregierung  deutlich, wenn sie ihre Sympathie mit dem „schwedischen Modell“ einer grundsätzlichen Bestrafung von Prostitutionskunden zum Ausdruck bringt. Mit diesem Modell – so Altpeter – werde „der allgemeine Anspruch der Geschlechtergerechtigkeit gestärkt“. Weiter heißt es dazu: „Insbesondere bei der Eindämmung der Straßenprostitution zeigen sich große Erfolge…“ (S. 9)

Man sieht: Es geht der Ministerin nicht allein um Flatrate-Bordelle. Sie hat auch andere Formen der Prostitution im Visier.

Festzustellen bleibt:
Dem von der CDU-Landtagsfraktion gestellten „Antrag“ zum Thema „Prostitution in Baden-Württemberg“ geht es keinesfalls um Sachaufklärung, sondern um eine erneute Instrumentalisierung der Prostitutions-Frage für konservative migrationspolitische Ansichten. Dies geht unverkennbar aus der Frage der CDU hervor, „ob das Prostitutionsgesetz dafür geeignet ist, die Zuwanderung von Prostituierten aus Staaten mit prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verhindern“. (S. 1) Es handelt sich hierbei um die Fragestellung von Brandstiftern, die ihre Probleme mit Armutsmigration gegen die Rechte von Prostituierten ausspielen möchten.

Anstatt einer klaren Zurückweisung dieser Intention, eiert die „Stellungnahme“ der grün-roten Landesregierung Baden-Württembergs herum, verweist auf andere Gesetzesmaterien und begnügt sich mit der Feststellung, dass sich der Ausländeranteil unter den Prostituierten vor allem in Stuttgart „wesentlich erhöht“ habe. Auch hier wird deutlich, dass man sich von der Sichtweise der CDU bestenfalls im Detail, nicht aber vom Grundsatz her unterscheidet.

Die von Ministerin Karin Altpeter verantwortete „Stellungnahme“ der grün-roten baden-württembergischen Landesregierung verdeutlicht einmal mehr die Formierung einer „großen Koalition“ gegen Prostitution hierzulande. Unter dem Deckmantel einer „gewerberechtlichen Reglementierung“ geht es in Wirklichkeit um eine Ausweitung polizeilicher Kontrollbefugnisse gegenüber Prostitution. Dafür gibt es keinen sachlichen Grund. Deshalb lehnt Doña Carmen e.V. diese Politik entschieden ab.

Doña Carmen fordert:

  • Mehr Rechte für Sexarbeiter/innen statt mehr Kontrollbefugnisse für die Polizei!
  • Nein zur beabsichtigten Konzessionierung von Prostitutionsstätten und zur geplanten Registrierung von Prostituierten!
  • Konsequente Legalisierung statt Ausweitung von Repression!