Fachberatungsstellen: Unterwerfung unter Regierungskurs schreitet immer schneller voran

Das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter e.V. (bufas), ein Dachverband von bundesweit 24 Projekten und Beratungsstellen für Prostituierte, versinkt immer tiefer im Sumpf der Akzeptanz des so genannten „Prostituiertenschutzgesetzes“.

Als Doña Carmen e.V. dem bufas vor einem Jahr kritisierte, auf Regierungslinie einzuschwenken und sich für die „alternative“ Umsetzung dieses unsäglichen Gesetzes stark zu machen, kam prompt ein Dementi. In einer „Replik“ vom 8. Febr. 2017 versuchte der Verband zu beschwichtigen und erklärte:  „Das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) wurde vom bufas von Anfang an abgelehnt und wird nach wie vor kritisiert. Fakt ist jedoch, dass das Gesetz vom Bund beschlossen und zum 01.07.2017 rechtskräftig wird.“ Gleichwohl werde man auch weiterhin „unterschiedlichste Formen des Protestes gegen das Gesetz“ unterstützen und setze auf einen „solidarischen Verbund, der sich an den Interessen der Sexarbeiter*innen orientiert.“

Soweit die Worte. Wie steht es um die Taten?

Die Beratungsstelle Tamar in Soest, ist Mitgliedsorganisation des Bündnisses der Fachberatungsstellen bufas. Wie viele Beratungsstellen ist auch Tamar von chronischer Unterfinanzierung betroffen und sah sich genötigt, bei den politisch Verantwortlichen betteln zu gehen. Mit Erfolg. Am 15. März 2018 vermeldete dpa, dass die Zukunft der Prostituierten-Beratungsstelle Tamar einstweilen gesichert sei: „Nach mehrmonatiger Unsicherheit über die zukünftige Finanzierung steht jetzt fest, dass das Land NRW einer Förderung zustimmt.“

Doch offenbar um den Preis eines vollständigen Kotaus unter das Regime des Prostituiertenschutzgesetzes. So hieß es am 15.03.2018 im Soester Anzeiger:

„Die Arbeit von Tamar soll dazu beitragen, die vielfach bei Prostituierten in der Region bestehenden Vorbehalte gegenüber einer Anmeldung zu mindern und sie an die entsprechenden Behörden zu vermitteln. ‚Dazu ist die Zusammenarbeit mit den Ordnungs- und Gesundheitsämtern, aber auch mit einer Vielzahl anderer Behörden und Beratungseinrichtungen notwendig‘, erklärt Pfarrerin Birgit Reiche, Leiterin der Beratungsstelle.“  https://www.soester-anzeiger.de/lokales/kreis-soest/zukunft-prostituierten-beratungsstelle-tamar-gesichert-9693356.html

Man bedenke: Das seit Juli 2017 geltende so genannte „Prostituiertenschutzgesetz“ ist ein Fall von struktureller Gewalt gegen Frauen, keineswegs aber ein Schutz für Frauen in der Prostitution. Kernpunkte des Gesetzes sind eine medizinische Zwangsberatung, eine Zwangsregistrierung der Frauen sowie ein damit verbundenes Zwangsouting, eine erzwungene Stigmatisierung durch die Mitführpflicht von Hurenpass, Gesundheitspass etc., die Zwänge durch ein eigens im Gesetz verankertes Sanktionsregime sowie m Kontext der Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten umfassende Betretungsrechte für Polizei und Ordnungsbehörden in Bordellen und vor allem Wohnungen, in denen Sexarbeiter/innen tätig sind.

Es handelt sich also keineswegs um Petitessen, wo man einfach mal so mitmachen kann.  Aber offenbar haben evangelische Beratungsstellen damit nicht so ein großes Problem.

Wegen der unverhältnismäßigen Einschränkung von Grundrechten durch das Gesetz wird noch in diesem Jahr eine von Doña Carmen e.V. initiierte Verfassungsbeschwerde vor dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht verhandelt. Es geht dabei um nicht weniger als das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG), das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 GG), das Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung (Art. 1 GG) sowie das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG).

Nichtsdestotrotz beteiligt sich die Beratungsstelle Tamar an der Umsetzung des Schandgesetzes. Neben Tamar ist auch die Beratungsstelle Theodora/Herford in Trägerschaft der evangelischen Frauenhilfe von Westfalen und ebenfalls Mitglied im bufas. Was für Tamar gilt, dürfte für Theodora kein Tabu mehr bleiben. Der kirchliche Einfluss wird’s richten.

Hat man etwa gehört, dass vom bufas dagegen irgendein Sterbenswörtchen der Kritik oder gar Anwandlungen von „Protest“ dagegen aufkamen? Nichts, aber auch gar nichts hat man dazu gehört!

Das ist auch kein Wunder. Denn die Sache mit der Beratungsstelle Tamar ist längst kein Einzelfall mehr. Seit einigen Wochen führt ein ehrenamtliches Vorstandsmitglied von Madonna e.V., ein Verein, der im bufas das Sagen hat, selbst die Zwangsberatungen für Sexarbeiter/innen im Gesundheitsamt Bochum durch. Diese Stelle wurde erst kürzlich im Zuge der Verabschiedung des sogenannten Prostituiertenschutzgesetzes geschaffen.

Es ist kein halbes Jahr her, dass eben dieses Vorstandsmitglied von Madonna e.V. in einem Interview erklärte: „Das Problem an der Umsetzung ist, dass die Beratungen verpflichtend sind, deshalb spricht man auch von Zwangsberatungen. Du musst dir vorstellen: Da sind Sexarbeiterinnen*, die diesen Job seit zehn Jahren machen. Die wissen eine Menge über sexuell übertragbare Krankheiten, die wissen wie man Kondome benutzt, die wissen wie sie sich versichern.“ Und weiter hieß es dort: „Madonna e. V. ist eine von den Beratungsstellen, die sagen: Wir werden weder Gesundheitsberatung noch Sozialberatung für dieses Gesetz anbieten.“ (http://akduell.de/2017/08/ein-rueckschritt-fuer-die-sexarbeit/)

All das hinderte das Madonna-Vorstandsmitglied nicht daran, mit wehenden Fahnen die Seiten zu wechseln und nun im Gesundheitsamt genau das anzubieten, was der Verein, dem man vorsteht, angeblich zu tun ablehnt.

Wie gesagt: kein Einzelfall.

Für die gesundheitliche Zwangsberatung, für die Zwangsregistrierung der geschätzt mehr als 5.000 Sexarbeiter/innen in Hamburg sowie für die Konzessionierung der dortigen Prostitutionsstätten ist in der Hamburger Behörde ein Mitarbeiter zuständig, der noch im März 2016 den von bufas und BesD ausgerichteten „Sexarbeitskongress“ mitorganisiert hat und dort seinerzeit für die Forscher*innengruppe Sexarbeit verantwortlich zeichnete. Heute setzt er in der Behörde genau das um, wogegen sich der Sexarbeits-Kongress seinerzeit in Worten vehement wandte. (vgl. http://www.zeit.de/2017/31/prostituierte-registrierung-gesetz-umsetzung; http://sexarbeits-kongress.de/kontakt-2/)

Und da soll man sich nicht verschaukelt fühlen?

Bislang gibt es dazu das berühmte Schweigen im Walde und keine Positionierung etwa von Johanna Weber, die sowohl Bundessprecherin des BesD, als auch Mitglied im Beirat von bufas ist. Vielleicht sollte auch die bufas-Mitgliedsorganisation Hydra/Berlin mal ihre Website entstauben, auf der immer noch zu lesen steht: „Der BufaS tritt ein für die konsequente Entkriminalisierung der Prostitution, für den Abbau des gesellschaftlichen Huren- und Stricherstigmas sowie für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Prostitution.“

Doña Carmen e.V. bleibt dabei: Wir sagen „Weg mit dem Prostituiertenschutzgesetz“ und setzen uns ein für eine Aussetzung der Umsetzung, nicht aber für eine vermeintlich „alternative“ Umsetzung dieses unsäglichen Schandgesetzes.