Statt „Entschärfung“ bloße Kosmetik und neue Hürden für Sexarbeiter/innen
Der jüngste Referentenentwurf zum sogenannten „Prostituiertenschutzgesetz“ zeigt erneut: Massive Proteste von Verbänden und Organisationen, nicht zuletzt von Sexarbeiter/innen, gegen das von Ministerin Schwesig (SPD) geplante repressive „Prostituiertenschutzgesetz“ werden systematisch ignoriert und mit Missachtung gestraft. Von „Einsichtsfähigkeit“ im Hause Schwesig kann keine Rede sein.
Die angebliche „Entschärfung“, die das „Prostituiertenschutzgesetz“ mit der jüngsten Fassung vom 25.11.2015 erfahren haben soll, erweist sich bei genauerer Betrachtung als Polit-Inszenierung und reine Kosmetik. Denn auch die neueste Version des „Prostituiertenschutzgesetzes“ enthält die Registrierungspflicht für Sexarbeiter/innen (wie es sie zuletzt 1939 unter den Nazis gab), eine gesundheitliche Zwangsberatung, einen obligatorischen „Idiotentest“ für Sexarbeiter/innen, die Einführung eines „Hurenpasses“, eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten bereits ab 2 (!) Personen sowie das Recht der Polizei auf jederzeitige, anlasslose Kontrollen im Prostitutionsgewerbe.
Die nunmehr vorgesehene Streckung der Pflicht zur Wiederholung der Anmeldung (auf 2 bzw. 4 Jahre) sowie deren bundesweite Geltung ändern keinen Deut an der insgesamt repressiven und überwachungsstaatlichen Grundkonzeption des geplanten Gesetzes.
Statt einer „Entschärfung“ enthält der neue Referentenentwurf vielmehr zusätzliche Verschärfungen für Sexarbeiter/innen:
– Schwangerschaft: Nach § 5 Abs 1 Nr. 3 darf Sexarbeiter/innen neuerdings eine Anmeldebescheinigung versagt werden, wenn sie schwanger sind. Das bedeutet: Vorherige Schwangerschaftstest bei der Absicht, in der Prostitution zu arbeiten. Bei dieser demütigenden Form staatlicher Sexual- und Reproduktionskontrolle handelt es sich um eine rechtliche Ungleichbehandlung gegenüber anderen Erwerbstätigkeiten. Die Regelung steht zudem im Widerspruch zu § 4 Mutterschutzgesetz.
– Werbeverbot: § 31 ProstSchG weitet das gesetzliche Werbeverbot hinsichtlich der „Gelegenheiten zu sexuellen Dienstleistungen“ noch weiter aus als im Vorgängerentwurf und verdeutlicht, dass der bisherige Hinweis auf die Vermeidung „ungeschützten Geschlechtsverkehrs“ nur ein beliebiger und willkommener Anlass für einen insgesamt repressiveren Umgang mit Prostitution ist.
– „Idiotentest“: Im Unterschied zum Vorgängerentwurf wird nun nicht mehr mangelnde „Einsicht“, sondern verstärkt eine „mangelnde Einsichtsfähigkeit“ als Grund für einen Ausschluss aus der Prostitution genannt. (vgl. § 8, § 15, § 22 ProstSchG) Die Meldung der „WELT“ (26.11.2015) unter der Überschrift „Idiotentest für Prostituierte ist vom Tisch“ erweist sich als Zeitungsente. Bei derart miesem Journalismus braucht man sich über den Vorwurf der „Lügenpresse“ nicht weiter wundern.
Wer angesichts der neuen Vorgaben aus dem Hause Schwesig wie Markus Weinberg, frauenpolitischer Sprecher der Union, behauptet, „Menschenhändler, Zuhälter und Bordellbesitzer werden sich angesichts der neuen Regelungsgesetze freuen“ und damit den Eindruck erweckt, eine „Prostitutionslobby“ bzw. „Menschenhändler“ würden im Bundesfamilienministerium die Strippen ziehen, dem sei dringend geraten, sich selbst auf seinen Geisteszustand überprüfen zu lassen, anstatt die Öffentlichkeit weiterhin mit solchen Einlassungen zu behelligen.
Der neue Referentenentwurf ist keine wirkliche Verbesserung, sondern ein durchsichtiges Manöver des Hauses Schwesig, um sich vom Vorwurf der Ausweitung von Bürokratiekosten reinzuwaschen und den Bundesländern kein Vorwand für ein Ausbremsen des „Prostituiertenschutzgesetzes“ im Bundesrat zu liefern. (Die jährlichen Bürokratiekosten werden gerade mal von angeblich 54,1 Mio. € (bisheriger Entwurf) auf nunmehr 37,1 Mio. € gesenkt.)
Das eigentliche Problem des „Prostituiertenschutzgesetzes“ sind nicht irgendwelche „Bürokratiekosten“, sondern die systematische Verweigerung verfassungsmässiger Grundrechte für Sexarbeiter/innen, insbesondere das Recht auf sexuelle und informelle Selbtbestimmung sowie das Recht auf freie Berufsausübung in der Prostitution. Der eigentliche Skandal besteht darin, dass beide Koalitionsparteien SPD und CDU/CSU unter dem Vorwand des „Schutzes“ vor Kriminalität die Grundrechte von Sexarbeiter/innen mit Füßen treten. Der neue Entwurf aus dem Hause Schwesig belegt dies erneut. Von „Entschärfung“ keine Spur.