Für Erlaubnispflicht – gegen rechtliche Gleichstellung von Sexarbeit
Anmerkungen von Doña Carmen e.V.
Mit Datum vom 12. bzw. 13. Januar 2016 haben die Bundestagsfraktionen der GRÜNEN und LINKEN jeweils einen Antrag zur Prostitutionspolitik im Bundestag eingebracht (Drucksache 18/7236 und 18/7243).
Beide Anträge plädieren völlig kritiklos für die von der Bundesregierung geplante Einführung einer „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“– die GRÜNEN offen heraus, die LINKE verschämt.
Von den GRÜNEN war nichts anderes zu erwarten, da sie die Regierungsposition eines durch und durch „kriminellen Rotlichtmilieus“ unbesehen teilen. Nach ihrem Dafürhalten gefährdet nicht die Bundesregierung mit ihrem „Prostituiertenschutz-gesetz“, sondern Prostitution an sich die Grundrechte von Sexarbeiter/innen.
Die Position der Grünen ist nachvollziehbar: Man will auf Teufel komm raus gemeinsam mit der CDU die nächste Bundesregierung stellen. Da muss man schon mal in Vorleistung treten – auf Kosten von Sexarbeiter/innen. Ist ja auch keine klassische Wählerklientel der GRÜNEN. „Unsere Forderung ist Teil Ihres eigenen Vorschlags zur Regulierung von Prostitutionsstätten“ – rief die GRÜNE Bundestagsabgeordnete Ulle Schauws geradezu flehentlich in Richtung Regierungsbank im Deutschen Bundestag. (vgl. Plenarprotokoll 149. Sitzung,
14. Jan. 2016, S. 14742)
Dass nun auch die LINKE mit einem Plädoyer für „Konzessionen“ von Prostitutionsstätten ihr Fähnchen in den repressiven Wind und sich selbst an den Rockzipfel der GRÜNEN und der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD hängt, zeigt die ganze Orientierungslosigkeit und Tristesse dieser Partei.
Auf den Müllhaufen geworfen und vergessen sind die durchaus vernünftigen und bedenkenswerten Positionen, die man als PDS noch 2001 in einem Gesetzentwurf zur „Beruflichen Gleichstellung von Prostituierten und anderer sexuell Dienstleistender“ vertrat. Aber: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?!
Die Botschaft von GRÜNEN und LINKEN ist bei den Regierungsvertretern im Parlament gut angekommen: „Der Blick auf die Anträge aus Ihren Reihen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen von Grünen und Linken, signalisieren mir ebenfalls Zustimmung für eine durchdachte Konzessionierung von Prostitutionsstätten“, so SPD-Rednerin Ulrike Bahr am 14.01.2016 im Bundestag.
So viel Kuschelkurs zwischen „Opposition“ und Bundesregierung in Sachen Prostitutionsgesetzgebung war schon lange nicht mehr. Mit unglaublicher Phrasendrescherei werden Brücken gebaut: „Vor allem im Bereich der Armutsprostitution herrschen entsetzliche Zustände. Viele nehmen Drogen“, verkündet etwa die frauenpolitische Sprecherin der LINKEN, die Bundestags-abgeordnete Cornelia Möhring, im Bundestagstag. Rechte – so Möhring –bräuchten Sexarbeiter/innen deshalb, „damit sie unabhängig zum Beispiel von Großbordellbetreibern ihren Beruf frei ausüben können“.
Hier jagt ein Gemeinplatz das nächste Vorurteil – natürlich komplett faktenfrei und aus dem Ärmel geschüttelt.
GRÜNE und LINKE spekulieren mit ihrer Positionierung „pro Erlaubnispflicht“ darauf, dass ihr Verzicht auf einegesundheitliche Zwangsberatung und eine Zwangsregistrierung von Sexarbeiter/innen als tolle Oppositionsleistung gewürdigt wird und ein ausreichend großer Köder ist, damit die Betroffenen die bittere Pille der Erlaubnispflicht schlucken. Sie spekulieren darauf, dass ihr gnadenloser Opportunismus in der Sache als „kleineres Übel“ hingenommen wird. Damit dürften sie sich verspekulieren!
GRÜNE und LINKE unterschlagen,
– dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ eine originäre Forderung oberer Polizeibehörden und der Innenministerien ist und „Mindeststandards“ nur insofern berücksichtigt werden, sofern sie sich als Kontrollanlässe instrumentalisieren lassen;
– dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe‘ ein repressives Konzept ohne sachlich ausgewiesene Notwendigkeit ist;
– dass es mit der Anzeigepflicht nach § 14 Gewerbeordnung bei gleichzeitiger Freiberuflichkeit der Prostitutionstätigkeit ein passendes und praktikables Alternativ-Konzept zur Erlaubnispflicht gibt;
– dass die geplante „Erlaubnispflicht“ ein Mittel der Stigmatisierung des Prostitutionsgewerbes als von Kriminalität geprägtes „gefahrenträchtiges“ Gewerbe ist;
– dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ mit ihren Kontroll- und Dokumentationspflichten ein Freibrief für die Zwangsregistrierung von Sexarbeit durch die Hintertür ist;
– dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ ein komplettes Bewegungsprofil zeitigt und eine Totalüberwachung von Sexarbeiter/innen ermöglicht;
– dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ eine völlig inakzeptable Ausweitung patriachaler Kontrolle über Frauen und ihre Sexualität durch Bordellbetreiber beinhaltet;
– dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ als Ausnahmerecht konzipiert ist – jenseits aller allgemein geltenden gewerberechtlichen Standards;
– dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ für Sexarbeiter/innen eine Überwachung von Sexarbeiter/innen wie bei Schwerverbrechern vorsieht (jederzeitige verdachtsunabhängige und anlasslose Kontrollen) und dass sie das in Art 13. Grundgesetz verankerte Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung mit Füßen tritt;
– dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ und das dafür erforderliche ‚Betriebskonzept‘ ein Einfallstor für moralische Wertungen gegenüber „nicht tolerablen“ Geschäftsmodellen in der Prostitution darstellt;
– dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ die Infrastruktur von Prostitution in Frage stellt sowie Arbeitsplatz- und Existenzvernichtung bei Sexarbeiter/innen befördert;
Mit anderen Worten: Man verschweigt, dass die geplante „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ ein Instrument zur schrittweisen Rückabwicklung der Legalisierung von Prostitution ist. Ein beredtes Schweigen von GRÜNEN und LINKEN! Rechte von Sexarbeiter/innen sind den Bundestagsfraktionen von GRÜNEN und LINKEN bestenfalls Verfügungsmasse und Mittel zur eigenen parteipolitischen Profilierung.
Wenn es schon zu viel verlangt ist, dass GRÜNE und LINKE eine pro-Prostitution-Position einnehmen, so hätte man doch erwarten dürfen, dass sie endlich für eine vollständige Entkriminalisierung von Prostitution eintreten und die rechtliche Gleichstellung von Sexarbeit als Ausgangspunkt für konkrete Detailfestlegungen akzeptieren.
Doch selbst dazu sind diese Parteien offenbar weder fähig noch in der Lage.
Eine Schande und eine Bankrotterklärung! Aber so sind sie eben.
Sexarbeiter/innen sind mehr denn je darauf verwiesen, ihre Interessen autonom zu vertreten und auf Selbstorganisation zu setzen.