200 Polizei-Beamten sind gestern, am 4. Mai 2015, in völlig übertriebener Schutzmontur gegen einen angebliche „China-Mafia“ vorgegangen, die sich ausgerechnet im gutbürgerlichen Frankfurter Viertel Dornbusch mit Wohnungsprostitution ein Zubrot verdienen wollte – in Etablissements, die jedem in der Nachbarschaft hinlänglich bekannt waren!
Was medial als überraschender und erfolgreicher „Schlag gegen das organisierte Verbrechen“ inszeniert wird, ist kühl kalkuliert. Und damit die polizeiliche PR-Strategie auch funktioniert, sind immer gleich Foto-Reporter der Boulevard-Zeitung mit den vier Buchstaben dabei.
Von Schleusung, Scheinehen und Sozialversicherungsbetrug ist die Rede. Was die polizeinahe Berichterstattung verschweigt, ist die Tatsache, dass sich in keinem anderen Gewerbe der Straftatbestand des § 266a StGB („Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“) und somit Schwarzarbeit so leicht „nachweisen“ lässt wie bei Prostitution.
Dafür sorgt das im Prostitutionsgesetz von 2002 aufgenommene „eingeschränkte Weisungsrecht“: Im Unterschied zu anderen Gewerben reicht schon die Bestimmung von Ort und Zeit, um ein „sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnisses“ zu begründen. Die untaugliche Konstruktion des „eingeschränkten Weisungsrechts“ schafft rechtliche Grauzonen und ermöglicht, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch dort zu unterstellen, wo de facto Selbständigkeit oder bestenfalls „arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit“ (das heißt: ‚wirtschaftlich abhängig, persönlich unabhängig’) vorliegt.
Eine hervorragende Grundlage, um Prostitutions-Etablissements „organisierte Kriminalität“ anzuhängen und mit Schließungsverfügungen zu arbeiten!
Gegenwärtig überziehen städtische Ordnungskräfte in disem Sinne Etablissements der Wohnungsprostitution und Massagestudios mit Kontrollen und Razzien. Die Bekämpfung von Kriminalität ist nur Vorwand – in Wirklichkeit geht es um die massive Eindämmung von Prostitution!
Doña Carmen e.V. protestiert dagegen, dass mit derartigen Schikanen das den Sexarbeiter/innen zuerkannte Grundrecht auf freie Berufsausübung massiv eingeschränkt wird.
Nicht nur in Terminwohnungen, auch in Privatwohnungen verschaffen sich Ordnungskräfte im Zuge dieser Razzien überfallartig sowie mit Mitteln der Einschüchterung und Bedrohung Zutritt. In einem uns vorliegenden Fall haben sich Personen, die sich als Mitarbeiter des Zoll ausgaben, sich aber weigerten, Namen und Dienststelle zu nennen, zu einem vor kurzem beim Gewerbeamt abgemeldeten Massagestudio Zutritt verschafft und die dort lebende Mieterin durch Drohgebärden, rüpelhaftes Verhalten und Durchsuchung der Wohnung ohne Durchsuchungsbeschluss terrorisiert. Der betroffenen Frau wurde das Telefon abgenommen, als sie die Polizei verständigen wollte. Die Mieterin hat mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet und wird Anzeige erstatten.
Derartige Rambo-Methoden – daran lässt die reißerische Medienberichterstattung (BILD, 24.04.2015) keinen Zweifel – sind darauf angelegt, die gesamte Wohnungsprostitution ins Zwielicht zu rücken. Wenn städtische Ordnungskräfte im Pulk mit Medienvertretern Wohnungen von Sexarbeiter/innen stürmen, bleiben deren Persönlichkeitsrechte auf der Strecke.
Wie mittlerweile bekannt, beabsichtigt die Bundesregierung mit dem neuen, von ihr ausgearbeiteten „Prostituiertenschutzgesetz“ erklärtermaßen, für den Bereich der Wohnungsprostitution den Artikel 13 Grundgesetz („Unverletzlichkeit der Wohnung“) einzuschränken. Damit sollen anlasslose und verdachtsunabhängige Kontrollen in Wohnungsetablissements zukünftig jederzeit möglich sein.
Die momentanen Repressionsmaßnahmen städtischer und sonstiger Ordnungsbehörden in Frankfurt geben einen Vorgeschmack darauf, was auf Sexarbeiterinnen und Frauen mit häufig wechselndem Herrenbesuch zukommt, wenn das neue Gesetz in Kraft tritt: Rechtsstaatliche Maßstäbe werden ausgehöhlt, Sexarbeiter/innen wie Freiwild behandelt und Frauen mit freizügigem Sexualverhalten unter Generalverdacht gestellt.
Doña Carmen ruft deshalb zum Widerstand gegen solche Schikanen und gegen das geplante neue „Prostituiertenschutzgesetz“ auf. Für den 13. Juni 2015 ist auf dem Frankfurter Opernplatz eine bundesweite Protestaktion gegen den zunehmend repressiveren Umgang mit Prostitution geplant.
Die für die Kontrollen und Razzien in Frankfurt Zuständigen sind aufgefordert, ihre Repressionspolitik und ihre öffentlich lancierte Stimmungsmache gegen Frauen in der Prostitution umgehend einzustellen.