Pressemitteilung: Stadt München zwingt Sexarbeiter/innen in den Untergrund

Doña-Carmen-Stellungnahme verweist auf vorprogrammiertes Chaos bei der Umsetzung des ‚Prostituiertenschutzgesetzes‘ in der bayerischen Landeshauptstadt

„Illegalität per Gesetz“ – so lautet das Fazit einer kritischen Stellungnahme von Doña Carmen e.V. zur Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes in München. Dieses Gesetz soll bundesweit am 1. Juli 2017 in Kraft treten. Aus diesem Grund hat die Stadt München durch Beschluss des Gesundheitsausschusses vom 8.12.2016 sowie einen entsprechenden Beschluss des Münchner Stadtrats vom 14.12.2016 personelle und organisatorische Vorgaben für die fortan erforderliche „gesundheitliche Pflichtberatung“ von Sexarbeiter/innen formuliert.

Diese Vorgaben haben – wie aus der detaillierten Doña-Carmen-Stellungnahme hervorgeht – zur Folge,

  • dass tausende Sexarbeiter/innen bei der gesundheitlichen Pflichtberatung in München mit Wartezeiten von einem halben bis zu anderthalb Jahren zu rechnen haben, um sich einer von ihnen nicht gewollten Zwangsberatung zu unterziehen, für die sie zu allem Überfluss auch noch zur Kasse gebeten werden;
  • dass die behördlich verursachten Wartezeiten für die Betroffenen ein verfassungsrechtlich fragwürdiges Tätigkeitsverbot zur Folge haben, was einem Berufsverbot durch die Hintertür gleichkommt;
  • dass Münchner Sexarbeiter/innen infolgedessen zu Tausenden rechtlos gestellt und durch behördliches Handeln systematisch in die Illegalität gedrängt werden.

Dass die in München tätigen Sexarbeiter/innen obendrein noch mit einer Zwangsgebühr von (vorerst) 35 € an der Ko-Finanzierung ihrer eigenen Illegalisierung und Kriminalisierung beteiligt werden, bezeichnet Doña Carmen als zynisches Kalkül.

Es sei zu erwarten, dass für das zusätzliche, per Gesetz erzwungene „Informations- und Beratungsgespräch“ in München noch einmal ein ähnlich hoher Betrag bei den Sexarbeiter/innen abkassiert wird. Zudem müssen Ärzte des Gesundheitsamtes sich fortan als behördliche Drückerkolonne betätigen mit der städtischen Vorgabe, mindestens 1.500 Prostituierten jährlich einen angeblich „freiwilligen“ und angeblich „anonymen“ HIV-Schnelltest zum Schnäppchenpreis von 26 € aufzuschwätzen.

Damit ist der schleichende Übergang von einer gesundheitlichen Beratungspflicht zu einer gesundheitlichen Untersuchungspflicht vorprogrammiert.

Sollten sich die Befürchtungen von Doña Carmen e.V. bestätigen, werden sich damit für über 21-jährige Sexarbeiter/innen die Zwangsgebühren bald auf knapp 100 €, für die „besonders schützenswerten“ unter 21-jährigen Sexarbeiter/innen durch die halbjährige Taktung gesetzlich erzwungener kostenpflichtiger Beratungsgespräche auf nahezu 200 € summieren.

Die Münchner Beschlüsse zur Umsetzung des so genannten „Prostituiertenschutz-gesetzes“ erweisen sich mithin bei Licht betrachtet als ein Programm zur Vertreibung von Sexarbeiter/innen in andere Kommunen und Bundesländer mit günstigeren Konditionen für die Berufsausübung.

In einem Offenen Brief an alle im Münchner Stadtrat vertretenen Parteien hat Doña Carmen e.V. deren Fraktionen aufgefordert, die umstrittenen Beschlüsse umgehend zurückzunehmen und alles zu unterlassen, was die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit von Sexarbeiter/innen in der Prostitution einschränken könnte.

Die Stellungnahme von Doña Carmen e.V. weist darauf hin, dass die aufgezeigten Folgen der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes in München keine bayerische Besonderheit sind, sondern dem Gesetz als solchem geschuldet sind. Das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz enthält bezeichnenderweise keine Vorkehrungen gegen überlange Wartezeiten bei gesetzlich vorgeschriebenen Zwangsberatungen. Kommunalen Verwaltungspraktiken, die auf ein schleichendes Berufsverbot und eine klammheimliche Illegalisierung von Sexarbeit setzen, ist damit – nicht nur in Bayern – der Weg geebnet.

Das ist mit ein Grund, weshalb Doña Carmen e.V. alles daran setzt, dass das Prostituiertenschutzgesetz mit einer Verfassungsbeschwerde zu Fall gebracht wird.

PS.
Die ausführliche Stellungnahme von Doña Carmen zu den Beschlüssen hinsichtlich der gesundheitlichen Pflichtberatung von Sexarbeiter/innen in München finden Sie in

Illegalität per Gesetz Stadt München