Bahnhofsviertelnacht 2017: Verbot von Bordellführungen, Diskussionen im Bordell und Table-Dance-Schnupperkursen

Frankfurt, 28. Juni 2017

An
Einrichtungen, Organisationen und Initiativen
im Frankfurter Bahnhofsviertel

Bahnhofsviertelnacht 2017: Verbot von Bordellführungen, Diskussionen im Bordell und Table-Dance-Schnupperkursen

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde,

mit Schreiben vom 19. Juni 2017 teilte uns der neue Leiter des Amtes für Kommunikation und Stadtmarketing, Herrn Tarkan Akman, mit, dass Doña Carmen e.V., Verein für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten, im Rahmen der bevorstehenden Frankfurter Bahnhofsviertelnacht keinerlei Bordellführungen mehr anbieten dürfe.

Im „offiziellen kulturellen Veranstaltungsprogramm“ als auch „in unseren entsprechenden Veröffentlichungen“ solle es nunmehr „keinerlei Werbung für die Prostitution und/oder Führungen in entsprechenden Einrichtungen“ geben. „Unter Einbeziehung städtischer Stellen wie Stadtpolizei und Frauenreferat, haben wir uns dazu entschieden, unsere Haltung dazu unmissverständlich klar zu stellen“, so Amtsleiter Herr Akman.

Wir sind über diese Art des Umgangs mit uns einigermaßen entsetzt. Seit 2008, also seit Beginn der „Langen Nacht im Bahnhofsviertel“, hat Doña Carmen e.V. ehrenamtlich zu kostenlosen Bordellführungen für Frauen eingeladen.

Diese Bordellführungen waren stets ein beliebter Programmpunkt, der von Hunderten von Frauen angenommen wurde. Vor der Doña-Carmen-Beratungsstelle bildete sich alljährlich eine riesige Menschenschlange – ein Publikumsmagnet, mit dem die Stadt Frankfurt sich gerne geschmückt hat, wenn es darum ging, sich als „liberale“ Stadt zu vermarkten.

Auch im 10. Jahr des Bestehens dieses Stadtteilfests sollte sich Doña Carmen e.V. wieder mit seinen Programmpunkten an der Bahnhofsviertelnacht beteiligen. Noch im Mai 2017 wurde der Verein angeschrieben und eingeladen, jetzt aber – einen Monat später – diktiert uns die Polizei via Herrn Akman, welche Programmpunkte den Herren genehm sind und welche nicht.

Von oben, ohne Rücksprache und ohne Angabe inhaltlicher Gründe wird damit jahrelange ehrenamtliche Arbeit eines Vereins im Viertel verhöhnt und plötzlich für unerwünscht erklärt.

Aus der Presse erfahren wir, dass wir mit unseren Bordellführungen angeblich „Voyeurismus“ betreiben. Woher wissen die Herren das? Sie waren nie dabei, denn es waren Bordellführungen für Frauen! Woher nehmen sie sich das Recht, die daran teilnehmenden Frauen als „Voyeure“, mithin als Glotzer und Gaffer, zu diffamieren? Tatsache ist, dass die Bordellführungen für viele Frauen der einzige Weg ist, mit Frauen in der Sexarbeit ins Gespräch zu kommen. Woher nimmt man sich das Recht, erwachsenen Frauen vorzuschreiben, nicht an Bordellführungen teilzunehmen? Wie oft muss man eigentlich betonen, dass auch Frauen entscheidungsfähig sind? Warum lässt man Frauen nicht selbst entscheiden, ob sie sich an einer Bordellführung beteiligen wollen oder nicht?

Uns wird „Werbung für Prostitution“ unterstellt. Was für ein Unsinn! Wir sind ein gemeinnütziger Verein. Werbung für Prostitution gehört nicht zu unseren Vereinszielen. Wir sind keine Werbeagentur. Aber wir verteidigen das Recht der Frauen, ohne Diskriminierung und Stigmatisierung in einem Beruf arbeiten zu können, der laut Bundesregierung und obersten Gerichten dieses Landes unter den grundgesetzlichen Schutz der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG fällt. Wer nicht in der Lage ist, beide Sachverhalte zu unterscheiden, sollte sich mit öffentlichen Verlautbarungen und Anweisungen vielleicht einfach mal zurückhalten.

Bordellführungen sind für uns ein Mittel der kritischen Auseinandersetzung über Prostitution. Alle Fragen der Beteiligten an die Frauen in der Prostitution sind erlaubt.
Wovor hat das „Amt für Kommunikation und Stadtmarketing“ Angst? Offensichtlich ist eine Bahnhofsviertelnacht mit Bordellführungen im Sinne eines „Stadtmarketings“ nicht mehr vorzeigbar. Und offenbar bestimmt mittlerweile die Stadtpolizei, wer mit welchen Programmpunkten an einem Stadtteilfest wie der Bahnhofsviertelnacht mitmachen darf und wer nicht.

Aus der Presse (vom 28.06.2017), nicht aber vom „Amt für Kommunikation und Stadtmarketing“, erfahren wir, dass wir auch „Table-Dance-Schnupperkurse“ nicht mehr anbieten dürfen, dass uns Diskussionen mit Sexarbeiter/innen zwar erlaubt seien, aber nicht im Bordell… Wir halten dieses Vorgehen uns gegenüber für beschämend und unwürdig!

Wir stehen vor der Situation: Wenn wir an unseren Bordellführungen festhalten, fliegen wir aus dem Programm raus. Wenn wir auf unsere bewährten Bordellführungen verzichten, unterwerfen wir uns dem Diktat von Leuten, die zwar politische Macht, aber keine Ahnung haben. Uns vor diese Wahl zu stellen, nennen wir politische Erpressung.

Klar ist: Mit dem städtischen Vorgehen gegenüber Doña Carmen e.V. wird die Rede vom „vielfältigen, bunten Viertel“, das sich in der Bahnhofsnacht präsentiert, ad absurdum geführt. Wer von ‚Vielfalt‘ spricht und in Wirklichkeit Ausgrenzung betreibt, macht sich unglaubwürdig. Eine Frankfurter Bahnhofsviertelnacht ohne die Frauen aus der Sexarbeit, die im Viertel den nach wie größten Wirtschaftszweig repräsentieren, ist eine Lachnummer für die gesamte Republik, ist eine Karikatur auf das vielbeschworene „liberale“ Frankfurt und Ausdruck neuer Spießigkeit und Verlogenheit.

Wir bitten Einrichtungen, Organisationen und Initiativen im Frankfurter Bahnhofsviertel, sich von dieser bevormundenden und unwürdigen Art des Umgangs mit einem Verein im Viertel zu distanzieren. Bitte setzen Sie sich mit uns für eine sofortige Rücknahme des Verbots von Bordellführungen und Table-Dance-Schnupperkursen im Rahmen der Bahnhofsviertelnacht ein.

Bitte wenden Sie sich in diesem Sinne an die Öffentlichkeit und an die politisch Verantwortlichen:

Herrn Tarkan Akman:

Stadt Frankfurt am Main
Amt für Kommunikation und Stadtmarketing
Römerberg 32
60311 Frankfurt
Hotline Öffentlichkeitsarbeit: 069 – 212 42000

Oberbürgermeister Peter Feldmann:

Stadt Frankfurt am Main
DER MAGISTRAT
Oberbürgermeister Peter Feldmann
Römerberg 23
D-60311 Frankfurt am Main
Telefon 069 212 32782
Email: amt-oberbuergermeister@stadt-frankfurt.de

Für Ihre Unterstützung und Solidarität dankt

das Team von  Doña Carmen e. V.