In der Frankfurter Bahnhofsviertelnacht 2017 wollen abolitionistische Prostitutionsgegner/innen Stimmung gegen Sexarbeiterinnen und Prostitution machen. Dazu eine Aufklärung von Doña Carmen e.V.
Der Verein Save Rahab hat zusammen mit einigen weiteren abolitionistischen Organisationen, die für die Abschaffung der Prostitution eintreten, angekündigt, anlässlich der Frankfurter Bahnhofsviertelnacht vom 17. August 2017 aus Protest gegen die von Doña Carmen durchgeführten Bordellführungen und gegen das Feiern im Bahnhofsviertel generell, eine Mahnwache durchzuführen.
Die örtliche Presse und einigie Medien haben dies zum Anlass einer unkritischen Berichterstattung genommen, die der Selbstdarstellung dieses dubiosen Vereins großen Platz einräumt, aber gleichwohl jegliche kritische Aufklärung vermissen lässt.
Der Verein Save Rahab erweckt den Anschein, eine „Menschenrechtsorganisation“ zu sein und sich um „öffentliche Aufklärung“ zu bemühen. In Wirklichkeit verdunkelt der Verein den Kontext, in dem er tatsächlich agiert. Wer ist Save Rahab? Dazu nachfolgend einige Fakten.
1.
Teil der christlichen Rettungsindustrie
Der Verein Save Rahab wurde in Mühltal bei Darmstadt gegründet und besteht als eingetragener Verein seit August 2016. Der Vorstand des Vereins besteht nur aus einer Person, nämlich dem bzw. der jeweiligen Vorsitzenden. Das war bis Mai 2017 der in Mühltal als CDU-Gemeindevertreter tätige Christian Seiler und ist seit Mai 2017 die in Frankfurt lebende Raya Restel. Der Verein Save Rahab setzt sich nicht für die Rechte von Prostituierten, sondern ausdrücklich nur für die „Rechte von Zwangsprostituierten“ ein. Unterstützung bis hin zur „seelsorgerischen Begleitung“ bietet der Verein vor allem Frauen „welche die Prostitution verlassen haben“. Mitglied werden kann nur „wer der ideologischen und weltanschaulichen Grundlage, die der Vereinsarbeit zugrundeliegt, positiv zugewandt ist. Diese Grundlage besteht im christlichen Weltbild“. (zit. nach Satzung des Vereins) Das kommt schon im Vereinsnamen zum Ausdruck, der sich auf die im Alten Testament erwähnte Rahab bezieht, der man in der chrtistlichen Mythologie den Status einer Hure zugeschrieben hat. „Save Rahab“ bedeutet soviel wie, dass man sich als Teil der christlichen Rettungsindustrie gegenüber Sexarbeizter/innen sieht.
2.
Fundamentalistisch-evangelikale Prostitutionsgegner
Bei Auflösung des Vereins Save Rahab fällt dessen Vermögen an den Berliner Verein „Gemeinsam gegen Menschenhandel e.V.“, dem der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich vorsteht. Dieser Verein wiederum ist ein Sammelbecken vorwiegend evangelikaler Prostitutionsgegner (z.B. Mission Freedom etc.). Sollte dieser Verein wiederum aufgelöst werden, fiele das Vereinsvermögen an den von der Nonne Lea Ackermann geleiteten Anti-Prostitutions-Organisation SOLWODI. Die christliche Ausrichtung des Vereins Save Rahab ist also sehr speziell: Der Verein ist dem fundamentalistisch evangelikalen Lager zuzurechnen. Die Gegnerschaft gegen den so genannten „Menschenhandel“ und gegen so genannte „Zwangsprostitution“ erweist sich in diesem Kontext als Vorwand, um aus christlicher Motivation gegen jede Form von Prostitution zu sein.
3.
Der Schwarze Block des Herrn
Das wird vor allem daran deutlich, dass Save Rahab in Frankfurt 2016 den „Walk for Freedom“ ausgerichtet hat, wo rund einhundert vornehmlich Frauen in absolut schwarzer Kleidung, mit schwarzen Highheels und zugeklebtem Mund im Gänsemarsch schweigend durch die Stadt gelaufen sind und vorgaben, auf diese Weise die Opfer von „Zwangsprostitution“ zu repräsentieren. Die Highheels sollen dabei ein Symbol dafür sein, dass vor allem Frauen Opfer des so genannten „Menschenhandels“ seien. (vgl. http://www.livenet.de/themen/gesellschaft/ ethik/sozialethik/281031-weltweit_gegen_ sklaverei_einschreiten.html) Faktisch richtet sich diese inszenierte Bewegung gegen die Feminisierung der Migration und unterstellt nahezu allen Sexarbeiter/innen entgegen allen Erfahrungen, Opfer von „Menschenhandel“ zu sein. So hat dieser Darmstädter Verein sich keine zwei Monate nach seiner offiziellen Eintragung ins Vereinsregister zu der abenteuerlichen und absurden Aussage verstiegen, 95 % der in Frankfurt tätigen Sexarbeiter/innen seien „Zwangsprostituierte“. (vgl. http://www.hessenschau.de/gesellschaft /helfer-fast-alle-prostituierten-in-frankfurt-handeln-unter-zwang,walk-for-freedom-100.html)
4.
A21-Kampagne: „Sexarbeiter/innen sind unfähig, für sich selbst zu sprechen“
Dass die Beteiligten sich die Münder mit Klebeband zugeklebt haben, soll symbolisieren, dass die Menschenhandels-Opfer, die nach Angaben der Organisatoren zu 90 % weibliche „Zwangsprostituierte“ seien, „unfähig sind, für sich selbst zu sprechen“. Die A21- Kampagne, die diesen „Walk of Freedom“ weltweit an ein und demselben Tag organisiert, sagt: „our goal ist o be the voice of the voiceless“. (vgl. http://www.a21.org/index.php? site=true) Die Unterstellung, dass Sexarbeiter/innen unfähig seien, für sich selbst zu sprechen, ist sehr aufschlussreich. Es ist eine Sexarbeiter/innen herabwürdigende Behauptung, die sie alle für dumm und dämlich erklärt, und die Anmaßung legitimieren soll, dass A21 stellvertretend für diese Bevölkerungsgruppe spricht. Zudem handelt es sich um ein rassistisches Klischee, da es sich auf migrantische Sexarbeiter/innen bezieht.
Um ihr Klischee aufrecht zu erhalten muss Save Rahab logischerweise gegen Bordellführungen sein, bei denen Sexarbeiter/innen ja mit den Teilnehmenden diskutieren und sich herausstellen könnte, dass es mit der unterstellten Unfähigkeit, für sich selbst zu sprechen, nicht so weit her ist. Was nicht sein kann, darf eben nicht sein.
5.
Hinter A21 stehen australische Evangelikale der „Hillsong Church“
Hinter der 2007 gegründeten und seit 2013 mit alljährlichen Schweigemärschen zelebrierten A21-Bewegung zur Abschaffung von „Menschenhandel“ steht deren Gründerin, die australische evangelikale Predigerin Christine Caine (51). Sie und ihr Mann haben 2005 den Plan gefasst, Europa zu missionieren. Beide gehören der 1983 in Sydney / Australien gegründeten evangelikalen „Hillsong Church“ an, die mittlerweile Filialen in 11 Ländern hat. (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Hillsong _Church) 2007 hat man im Auftrag der griechischen Regierung in Thessaloniki ein christlich inspiriertes Auffanglager für illegale Migrantinnen unterhalten, die selbstredend alle als „Menschenhandelsopfer“ und „Zwangsprostituierte“ tituliert werden. Die Betreuten gelten automatisch allesamt als „Überlebende“ von Menschenhandel und Prostitution. Sie werden von der Hillsong-Kirche (ca. 21.000 Mitglieder in Australien) „gerettet“ und anschließend zum christlichen Glauben bekehrt. Es geht um die christliche Umerziehung der Betroffenen. Die Hillsong Church gilt als eine „Megachurch der Pfingstbewegung“, die von einer neuen „Ausgießung des Heiligen Geistes“ ausgehen: „Die Bibel wird als verbalinspiriert, unfehlbar und widespruchsfrei angesehen.“ (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Pfingstbewegung). Die Gläubigen geben vor, zu Jesus Christus eine „persönliche Beziehung“ zu haben
6.
„Rescue Mission“: Eine von Gott inspirierte Re-Christianisierung Europas
Auf ihren Plan zur „Infiltration Europas“ im Sinne einer „Rescue Mission“ kamen die Caines, weil in Europa Millionen von Menschen angeblich in „Dunkelheit“ leben: „One hundred years ago, 70 percent of Europe were Christians; today it’s less than 1 percent“. (vgl. https://www.charismamag.com/life/social-justice/12201-leaving-no-darkness-behind) Glücklicherweise hat Gott zu Christine Caine gesprochen, als sie am Flughafen von Thessa-loniki durch Plakate auf das Problem „Menschenhandel“ aufmerksam wurde und ein begleitender Prediger ihr erklärte, dass diese „Mädchen“ gehandelt seien: „That night in her hotel, Caine says God clearly spoke to her through Luke 10“. (vgl. https://www.charisma mag.com /life/social-justice/12201-leaving-no-darkness-behind)
Nachdem sie fühlte, dass der Heilige Geist sie aufgefordert habe, leidenschaftlich gegen Menschenhandel zu sein, hat sie das mit der Gründung der A21-Kampagne in die Tat umgesetzt.
7.
Mitglieder der A21-Bewegung dürfen ahnungslos sein
Seitdem geht es unter Gottes Leitung steil bergauf mit der Bewegung, die in Frankfurt von Save Rahab repräsentiert wird. Mit Fakten nimmt man es dabei nicht so genau. Denn der Glaube zählt. Auf der A21-Website steht zu lesen, dass man sich an den A21-Kampagnen beteiligen kann, auch wenn man völlig ahnungslos ist:
„Do I have to know about human trafficking to participate? No! During Walk for Freedom, we will be passing out Flyers containing information about human trafficking. If you don’t know about human trafficking when you get there, it is our goal that you will know about it and share our passion for abolishing it when you leave!” (vgl. http://www.a21.org/index.php?site=true)
In der Tat werden die Leute durch dumm-dreiste Schätzung für blöd verkauft:
Hieß es noch 2010: „and every three minutes someone somewhere is trafficked“ (vgl. https://www.charismamag.com /life/social-justice/12201-leaving-no-darkness-behind), so liest sich das 2016 in einem Bericht über den Walk for Freedom in der Schweiz schon viel dramatischer: „Nach Angaben der internationalen Organisation ‚The A21 Campaign‘, die jährlich zum Walk for Freedom aufruft, wird alle 30 Sekunden irgendwo auf der Welt eine Person Opfer von Menschenhandel.“ (vgl. http://www.livenet.de/themen/gesellschaft/ ethik/sozialethik/281031-weltweit_gegen_sklaverei_einschreiten.html) Es werden also binnen 6 Jahren sechs Mal so schnell Opfer von Menschenhandel produziert. Mit solchen Taschenspielertricks kommt man dann vielleicht auf die angeblich 27 Millionen Versklavte weltweit, für die man sich einsetzen soll. Mit offiziellen Statistiken zu diesen Zahlen mag man sich nicht befassen, die findet man „abschreckend“ („daunting“), denn sie lassen das menschliche Moment vermissen. Die A21-Kampagne fokussiert daher auf das „einzelne Opfer“. Um das Ziel, Menschenhandel im 21. Jahrhundert abzuschaffen, zielt man insbesondere auf junge verunsicherte Menschen „who feel like they have no purpose and that nobody loves them“. (vgl. http://www.today schristianwoman.com/articles/2013/july-august-issue/christine-caine-abused-but-not-defeated.html). Diese Leute, vor allem junge Studentinnen will man über die A21-Kampagne an die Hillsong Church heranführen.
8.
Hillsong-Church an Geld interessiert
Dabei ist man vornehmlich am Geld der Leute interessiert. Wer bei einem „Walk for Freedom“ mitmacht, sollte bitte im zugehörigen Online-Shop der A21-Bewegung das jährlich erneuerte offizielle schwarze T-Shirt der Kampagne für 15 € erwerben. Dazu gibt es für die vielen Uninformierten entsprechende Schulungsmaterialien oder „Menschenhandels-Curricula“ in der Preislage zwischen 40 € und 60 € käuflich zu erwerben. Auf alle Fälle sollte man nach einer Teilnahme am Marsch, für den man sich online registrieren lassen muss, Spender werden: da gibt es die regelmäßige monatliche Spende oder auch einmalige Spenden („100-$-Heroes“). (vgl. http://www.a21.org/index.php?site=true)
Schließlich muss auch das in 160 Ländern zu empfangene Fernsehprogramm der Hillsong Church und internationale Kongresse sowie die Reiseaktivitäten der Herren und Damen Prediger finanziert werden…
9.
Biblisch gerechtfertigt: Ein Zehntel des Einkommens an die Kirche abführen!
A21 und Christine Caine haben ausgerechnet, dass die jährliche Betreuung eines Menschenhandels-Opfers im Schnitt 3.000 US-Dollar kostet. Bei angeblich 27 Millionen Opfern weltweit kommt da ein ganz schöner Finanzbedarf zustande. Entsprechend gilt in dieser Sektenvereinigung das Spenden als hohe, biblisch gerechtfertigte Tugend:
„Die Stärke der Hillsong Church liegt in der Großzügigkeit und der Hingabe ihrer Menschen. In Sprüche 21,26 (NLB) steht: „Der Gottesfürchtige aber ist großzügig und gibt gerne.“…. In Maleachi 3,10 spricht die Bibel darüber, die ersten 10% (den zehnten Teil) des Einkommens in das Vorratshaus (die Kirche) gebracht werden… Durch ein jährliches Opfer wird die Ausstattung unserer wachsenden Kirche finanziert und trägt maßgeblich zur Unterstützung der Initiativen von Hillsong CityCare, sowie einer Reihe von angeschlossenen Wohltätigkeitsorganisationen in Deutschland und in Entwicklungsländern bei.“ (vgl. https://hillsong.com/germany/geben/)
Für Deutschland erklärt „Lead Pastor Germany“ Freimut Haverkamp auf Youtube: „Gott möchte dich finanziell segnen. Mangel ist nicht sein Plan für dein Leben.“ (Deine Finanzen Teil 1) oder „Großzügig zu leben ist ein wahres Statement der Freiheit.“ (Deine Finanzen Teil 2) (vgl. https://hillsong.com/germany/)
Die A21-Bewegung, angeblich gegen „Menschenhandel“ ist vielmehr Teil einer Konzern-strategie, die dem Konzern Hillsong Church als Teil der weltweit agierenden fundamentalistisch und evangelikal ausgerichteten Rettungsindustrie zu ständig fließenden Einnahmen verhelfen soll.
10.
Reaktionäre Lebensschützer
Wie alle bibeltreuen fundamentalistisch-evangelikalen Organisationen ist auch das australische Sektenimperium der so genannten Hillsong-Church, mit dem Save Rahab ideell und praktisch verbunden ist, Teil der so genannten „Lebensschützer“, die gegen das Recht auf Abtreibung agieren, Probleme mit Homosexualität haben und für eine religiös motivierte Heimbeschulung von Kindern eintreten. (vgl. http://www.lifenews.com/ 2015/08/26/these-33-pastors-and-christian-leaders-are-not-afraid-to-speak-out-against-planned-parenthood/). In diesem Sinne hat sich die SaveRahab-Vorsitzende Restel erst im vergangenen Jahr in einem Fall per Petition für eine religiös motivierte Heimbeschulung in Norwegen eingesetzt. (vgl. http://bodnariufamily.org/articles/international-attorney-petition-for-the-release-of-bodnariu-children/)
FAZIT:
Es ist bezeichnend, dass sich abolitionistische Prostitutionsgegner ohne Scheu mit fundamentalistisch-evangelikalen Kräften einlassen, nur um ihrer Kritik an Prostitution den Schein von gesellschaftlicher Relevanz zu verleihen.
Aber wer – wie die abolitionistischen Prostitutionsgegner in Deutschland – bereits 1933 mit Adolf Hitler gegen Prostitution paktiert hat, muss keine Skrupel mehr haben. Hauptsache Hetze gegen Sexarbeiter/innen!