Pressemitteilung „Gib Repression keine Chance!“ – Bundesweite Kampagne gegen das ‚Prostituiertenschutzgesetz‘

Aus Anlass des Inkrafttretens des so genannten Prostituiertenschutzgesetzes am 1. Juli 2017 wendet sich Doña Carmen e.V. mit einem Aufruf an alle Sexarbeiter/innen, sich aus Protest gegen das neue Gesetz der Aktion „Gib Repression keine Chance!“ anzuschließen.

Ziel der bundesweiten Aktion ist es, dass möglichst viele Sexarbeiter/innen sich den zwei von Doña Carmen e.V. ausgesprochenen Empfehlungen anschließen, nämlich

1. den zuständigen Behörden bei der obligatorischen Anmeldung alle 11.000 deutschen Kommunen zur Eintragung in den Hurenpass („Anmeldebescheinigung“)
anzugeben und

2. alle den Aliasnamen „Alice Schwarzer“ bzw. „Ali Schwarzer“ zwecks Eintragung in
den Hurenpass anzugeben.

Die Angabe ein und desselben Künstlernamens seitens der Sexarbeiter/innen soll ein
Maximum an Durcheinander bei der staatlichen Registrierung, Überwachung und Kontrolle von Sexarbeiter/innen bewirken und den Behörden ihren Überwachungs-wahn verleiden.

Eine Liste aller 11.000 Kommunen Deutschlands finden Sexarbeiter/innen auf der Website von Doña Carmen www.donacarmen.de zum Download.

Ein Akt des zivilen Ungehorsams

Beide Empfehlungen von Doña Carmen sind im Einklang mit den in § 4 Abs. 1 sowie in § 5 Abs. 6 Prostituiertenschutzgesetz formulierten Vorgaben. Gleichwohl ist deren Befolgung ein gegen die Umsetzung des neuen Gesetzes gerichteter Akt des zivilen Ungehorsams.

Denn: Die örtlich „zuständige Behörde“ muss gemäß § 6 ProstSchG „die bei der Anmeldung angegebenen Länder oder Kommunen“ in die Anmeldebescheinigung aufnehmen. Und sie muss gemäß § 34 ProstSchG die bei der Anmeldung angegebenen Daten an die zuständigen Behörden der von den Sexarbeiter/innen angegeben Tätigkeitsorte übermitteln.

Die Folgen

Wenn sich jede vierte der rund 200.000 hierzulande tätigen Sexarbeiterinnen an der von Doña Carmen initiierten Aktion beteiligt, wären die zuständigen Behörden genötigt, (1) mehr als 550 Mio. Eintragungen in den Hurenpässen vorzunehmen,
(2) rund 25 Mio. Emails an zukünftige Tätigkeitsorte zu versenden und
(3) damit insgesamt 50 Mio. Verwaltungsakte zu tätigen!

Es ist das erklärte Ziel der Aktion, dass die zuständigen Behörden über ihren eigenen Kontrollwahn stolpern und so viel Sand ins bürokratische Überwachungs-Getriebe zu streuen, dass die Umsetzung des Gesetzes an seinen eigenen maßlosen Vorgaben scheitert. Es ist zu hoffen, dass die „zuständigen Behörden“ in Arbeit ersaufen und in dem vom Gesetzgeber selbst geschaffenen bürokratischen Sumpf versacken.
Die Aktion richtet sich auch gegen den vor kurzem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf einer „Anmelde-Verordnung“, in der es heißt: „Die Bescheinigung kann nicht so gestaltet werden, dass alle Länder und alle Kommunen in die Bescheinigung aufgenommen werden können.“ Dass der geplante Hurenpass laut Schwesig-Ministerium nur maximal 480 Zeichen für Angaben zu Tätigkeitsorten von Sexarbeiter/innen enthalten soll, ist ein massiver Affront gegenüber Sexarbeiter/innen und macht den Hurenpass zu einem Mittel, die Mobilität und die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit von Sexarbeiter/innen noch weiter einzuschränken und sie in die Illegalität zu drängen. Denn gemäß § 27 Abs. 2 ProstSchG dürfen Betreiber/innen eines Prostitutionsgewerbes Sexarbeiter/innen ohne entsprechenden Orts-Eintrag im Hurenpass nicht bei sich arbeiten lassen.

Die von Doña Carmen e.V. angestoßene Kampagne „Gib Repression keine Chance!“ zielt auf die Aktivierung der Sexarbeiter/innen und ergänzt die Verfassungsbeschwerde gegen das Prostituiertenschutzgesetz.

Rechtliche Gleichbehandlung von Prostitution mit anderen Berufen

Man sollte sich erinnern: Eine staatlich betriebene Zwangsregistrierung von Sexarbeiter/innen gab es in Deutschland zuletzt mit einem von Reichsinnenminister Frick veranlassten und am 9. Sept. 1939 in Kraft getretenen Erlass. Er wurde von SS-Obergruppenführer Reinhardt Heydrich unterzeichnet, der seinerzeit auch mit der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt war.

Doch 2017 ist nicht 1939! Sexarbeiter/innen lassen sich nicht mehr – wie in den dunklen Zeiten des letzten Jahrhunderts – wie willenlose Objekte der Überwachung behandeln.

Wir fordern: Rechtliche Gleichbehandlung von Sexarbeit mit anderen gewerblichen Betätigungen! Schluss mit diskriminierenden Sonderbestimmungen gegen Prostitution! Weg mit dem „Prostituiertenschutzgesetz“!