Pressemitteilung: In Deutschland arbeiten 90.000 Sexarbeiter/innen

Doña Carmen e.V. hat eine Studie zur Zahl der in Deutschland tätigen Sexarbeiter/innen vorgelegt. Sie kommt zu dem Schluss, dass es hierzulande maximal rund 90.000 Sexarbeiter/innen gibt. Zahlen wie die von den 400.000 oder 200.000 Sexarbeiter/innen, die angeblich hier in der Prostitution tätig sein sollen, gehören stattdessen ins Reich der Fantasie.

Die Zahl von 90.000 in Deutschland tätigen Sexarbeiter/innen ist zu unterscheiden von den jeden Tag zeitgleich in der Prostitution tätigen Sexarbeiter/innen, deren Zahl sich auf etwa 30.000 bis 40.000 Sexarbeiter/innen beläuft.

Die meisten Sexarbeiter/innen sind erwartungsgemäß in den großen Flächenländern Nordrhein-Westfalen (22.690), Bayern (14.150) und Baden-Württemberg (11.640) tätig. Die größte Sexarbeiter/innen-Dichte dagegen findet sich mit etwa 200 Sexarbeiter/innen pro 100.000 Einwohnern in Berlin. Bundesweit kommen nach den Berechnungen von Doña Carmen e.V. im Schnitt rund 110 Sexarbeiter/innen auf 100.000 Menschen.

Will man die Wirkung des Prostituiertenschutzgesetzes beurteilen, so ist es unerlässlich, eine möglichst realistische Vorstellung von der tatsächlichen Zahl der in Deutschland tätigen Sexarbeiter/innen zu haben. Davon kann jedoch weder bei der Bundesregierung noch bei den Landesregierungen die Rede sein.

In den Bundesländern wird stattdessen vor dem Hintergrund völlig irrealer Schätzzahlen über „Erfolg“ bzw. „Misserfolg“ der Registrierung von Sexarbeiter/innen diskutiert. So wird die Zahl der Prostituierten in Baden-Württemberg offiziell auf 26.000 geschätzt, in Nordrhein-Westfalen auf 25.000 bis 45.000, in Rheinland-Pfalz auf 20.000 und in Niedersachsen auf rund 20.000 geschätzt. Diese aus der Luft gegriffenen Schätzzahlen sind samt und sonders unseriös.

Vergleicht man die vom Wiesbadener Bundesamt für Statistik veröffentlichten Zahlen der offiziell registrierten Sexarbeiter/innen (Stand Ende 2018) – Baden-Württemberg: 3.658, Nordrhein-Westfalen: 9.307, Rheinland-Pfalz: 1.252 und Niedersachsen 3.200 –, so liegt natürlich der Schluss nahe, dass das Prostituiertenschutzgesetz keine Wirkung entfaltet und die große Masse der Prostituierten in die Illegalität abtauche.

Diese Auffassung wird von Doña Carmen e.V. nicht geteilt. Derartige Schlussfolgerungen können nur dann zutreffend sein, wenn die jeweils geschätzten mit den tatsächlichen Zahlen der Sexarbeiter/innen halbwegs übereinstimmen. Davon kann keine Rede sein.

Zudem geben die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen registrierter Sexarbeiter/innen den tatsächlichen Umfang ihrer staatlichen Erfassung nur unzureichend und ohnehin mit erheblicher zeitlicher Verzögerung wider. So kann man zur Jahreswende 2019 / 2020 von mittlerweile rund 70.000 staatlich erfassten Sexarbeiter/innen ausgehen. Vor dem Hintergrund von 90.000 hierzulande tätigen Sexarbeiter/innen stellt sich das Gesamtbild somit gänzlich anders dar, als es die öffentliche Debatte erscheinen lässt.

Doña Carmen e.V. kritisiert das Prostituiertenschutzgesetz ganz entschieden. Allerdings nicht, weil das Gesetz nicht wirken würde, sondern im Gegenteil deshalb, weil es im repressiven Sinne sehr effektiv wirkt.

Der Skandal des Prostituiertenschutzgesetzes besteht nicht darin, dass es wirkungslos wäre, wie manche behaupten. Der Skandal ist vielmehr, dass es weiterhin konsequent gegen Sexarbeiter/innen umgesetzt wird, obwohl man partout keine „Zwangsprostituierten“ findet, die das Gesetz vorgibt schützen zu wollen.

Eine öffentliche Debatte zu den Auswirkungen der gegenwärtigen Registrierung von Sexarbeiter/innen ohne eine solide Vorstellung von der tatsächlichen Zahl hierzulande tätiger Sexarbeiter/innen muss zwangsläufig eine gespenstische Scheindebatte bleiben. Die Doña-Carmen-Untersuchung zur tatsächlichen Zahl der Sexarbeiter/innen in Deutschland erweist sich daher als unerlässlicher Beitrag zu einer Versachlichung der Diskussion um das Prostituiertenschutzgesetz.

90.000 Sexarbeiterinnen in Deutschland- DEF