Die jüngste Berichterstattung von „Süddeutsche.de“ (10.7.2015) und „Spiegel.Online“ (11.07.2015) zu weiteren Verschärfungen im geplanten „Prostituiertenschutzgesetz“ bestätigt die Berechtigung der Kritik an diesem Gesetz: Unter dem Vorwand des „Schutzes“ erfolgt tatsächlich eine massive Beschneidung der Rechte von Sexarbeiter/innen. Die neuerdings durchgesickerten Verschärfungen sprechen unzweideutig die Sprache der Repression gegenüber Sexarbeiter/innen:
Örtliche Meldepflicht: Sexarbeiter/innen müssen in allen Städten und Gemeinden, in denen sie lediglich kurzfristig und vorübergehend tätig sind, zuvor bei örtlichen Behörden zwecks Meldung vorstellig werden! Die Einführung derartiger, praktisch nicht einhaltbarer Auflagen dient nur dem Zweck einer totalen Rundumüberwachung mit dem Ziel der Kriminalisierung. Nach dem Motto „nachstellen, bedrängen, verfolgen“ mausert sich der Staat zum Stalker einer ganzen Berufsgruppe.
Ordnungswidrigkeit bei erstmaligem Verstoß: Der Verstoß gegen die Meldepflicht soll gleich beim ersten Mal, nicht erst bei beharrlichem Zuwiderhandeln als Ordnungswidrigkeit geahndet werden: SPD-Schwesig & CDU/CSU wissen, wie extrem unpopulär die erstmals seit der Nazi-Zeit wieder praktizierte Meldepflicht unter Sexarbeiter/innen ist. Jene Politiker, die immerzu die „Freiwilligkeit“ der Prostitutionsausübung anmahnen, setzen nun unverblümt auf Zwangsmittel, um Meldepflicht und Zwangsregistrierung von Sexarbeiter/innen durchzudrücken. Dass die Große Koalition auf Zwangsmittel gegen Sexarbeiter/innen setzt, zeigt vor allem eines: Selbst die Gesetzes-Macher sind nicht davon überzeugt, dass Meldepflicht und Zwangsregistrierung von Sexarbeiter/innen als Wohltaten zu ihrem Schutz empfunden werden.
Das Ziel der Maßnahme ist unverkennbar: Die Zahl der Abschiebungen migrantischer Sexarbeiter/innen nach § 55 Aufenthaltsgesetz wird sprunghaft zunehmen. So bedient die Bundesregierung de facto die Ausländerfeindlichkeit, die sie in Sonntagsreden wortreich beklagt.
Angriff auf „Gelegenheitsprostitution“: Die geplante Ausweitung der Regelungen des Prostituiertenkontrollgesetzes auf so genannte „Gelegenheitsprostitution“ verdeutlicht die auf die ganze Gesellschaft zielende repressive Stoßrichtung des Gesetzeswerks. Nicht nur um professionelle Prostitution geht es, sondern um die Disziplinierung von freizügigem Sexualverhalten im weitesten Sinne: All jene, die ein einziges Mal in ihrem Leben Sex mit anderen haben und dabei – aus welchen Gründen auch immer – Geld entgegennehmen, sollen einer Registrierungspflicht unterliegen. Allein die Androhung damit, offiziell als „Kontrollmädchen“ geführt zu werden, dürfte Abschreckung genug sein. Darauf setzt die Große Koalition. Wenn staatlichen Maßnahmen zum Prostitutions-Ausstieg schon notorisch erfolglos sind, so versucht man es jetzt mit der Androhung einer Zwangs-Stigmatisierung, um einem vermuteten Einstieg in die Prostitution vorzubeugen.
Unter führenden Politiker/innen der Großen Koalition nimmt die Aversion gegen Sexarbeit in der Prostitution damit erkennbar paranoide Züge an.
Ein Ergebnis dieser Politik lässt sich mit Sicherheit voraussagen: Man stellt Sexarbeiter/innen, die sich bislang in der falschen Sicherheit wiegten, ihre berufliche Betätigung sei quasi im Selbstlauf auf dem Weg der rechtlichen Anerkennung, gezielt außerhalb des Gesetzes. Man stempelt sie zu Outlaws, treibt sie in die Illegalität. Keine schäbige Maßnahme und keine Niedertracht lässt diese Bundesregierung aus, um eine ganze Berufsgruppe erneut ins gesellschaftliche Abseits zu drängen.
Werden Sexarbeiter/innen wieder wie Kriminelle behandelt, so dürfte eines klar sein: Die seit anderthalb Jahrzehnten im Sinken begriffene „Rotlichtkriminalität“ wird wieder sprunghaft ansteigen und von interessierter Seite wird wieder mehr Polizei zwecks Prostitutionsüberwachung eingefordert werden.
Wer aber ständig an der Repressions-Spirale dreht, sollte sich auf Widerstand gefasst machen. Doña Carmen e.V. wird repressive Maßnahmen gegen Sexarbeiter/innen auch weiterhin schonungslos kritisieren und öffentlich anprangern.