Verfassungsbeschwerde „ProstschG“ – Auf dem Weg in die Zielgerade

Ergebnisprotokoll 3. Treffen‚Verfassungsbeschwerde ProstSchG‘,
3. März 2017, Frankfurt/Main

Erneut nahmen an der Vorbereitung einer Verfassungsbeschwerde zum ProstSchG rund 25 Sexarbeiter/innen, Betreiber/innen, Prostitutionskunden sowie Aktivisten für die Rechte von Sexarbeiter/innen aus mehreren deutschen Städten teil.

Aufgrund einer erforderlich gewordenen Terminverschiebung um eine Woche – ursprünglich war der 24.02.2017 vorgesehen –konnten einige leider nicht kommen, die ihre Teilnahme zuvor zugesagt hatten.

Erstmals nahm nun auch eine Kollegin aus Österreich an dem Treffen teil, die sich bereit erklärte, als eine der Unterzeichnerinnen der Verfassungsbeschwerde mitzumachen.

Die anwesenden Sexarbeiter/innen wie Betreiber/innen repräsentierten – wie bisher – unterschiedliche Segmente des Prostitutionsgewerbes.

Inhalte des 3. Treffens vom 3.3.2017 waren:

– Festlegung und abschließende Erörterung der Kernpunkte der geplanten Verfassungsbeschwerde;
– Feststellung, welche Personen die Verfassungsbeschwerde namentlich zeichnen und unterstützen;
– Klärung zeitlicher Perspektiven.

In einem einleitenden Statement verwies DonaCarmen e. V. auf zwischenzeitliche Aktivitäten seit dem letzten Treffen.Durch mehrere Spendenaufrufe und Aktivitäten zur Bekanntmachung des Vorhabens einer Verfassungsbeschwerde sei es gelungen, bislang insgesamt knapp 20.000 Euro an Spendengeldern zu sammeln. Damit sei die Finanzierung der Verfassungsbeschwerde insgesamt auf einem sehr guten Weg nach Einschätzung von Dona Carmen e.V., gleichwohl sei die Durchführung der Verfassungsbeschwerde weiterhin auf Spenden angewiesen.

Im Unterschied zum Beginn der Kampagne für eine Verfassungsbeschwerde, in der das ProstSchG gerade verabschiedet war und viele Betroffenen sich noch in einer Art „Schockstarre“ befanden, sei die gegenwärtige Situation auf Seiten der Exekutivbehörden durch einen Wettlauf mit der Zeit im Hinblick auf die „Umsetzung“ des ProstSchG gekennzeichnet.

Die seit November 2016 bereits mehrfach einberufenen Besprechungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe und ihrer Unterarbeitsgruppen verliefen allesamt im Top-Down-Modus und im Klima der Abschottung. Dies bestätige die Einschätzung, dass durch die Einmischung in die Umsetzung des Gesetzes keine „Schadensbegrenzung“ zu erreichen sei. Das Gesetz selbst sei bereits der größte anzunehmende Schaden.

Gegen das Gesetz und für dessen Umsetzung zu sein, sei ohnehin ein Widerspruch. Vielmehr mache es Sinn, zunächst eine Überprüfung des umstrittenen ProstSchG in Karlsruhe zu fordern, statt sich an eine Umsetzung des Gesetzes zu machen.

Bei allen unterschiedlichen Erfahrungen und Einschätzungen sollte man von dem Konsens ausgehen, dass das verabschiedete ProstSchG in eklatantem Widerspruch zu den Grundrechtsartikeln 1, 2, 3, 12, und 13 der Verfassung stehe und eine Klage daher unumgänglich, der Verzicht auf eine Verfassungsbeschwerde hingegen allemal politisch unklug sei.

Im Mittelpunkt des Treffens standen die Ausführungen von RA Meinhardt Starostik, der von den Versammelten mit der Ausarbeitung einer Verfassungsbeschwerde beauftragt ist.

Er hob in seinen Ausführungen hervor, dass es wichtig sei zu klären, welche Punkte des Gesetzes angegriffenwerden sollten. Darin werde die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde deutlich. Als Kernpunkte der Verfassungsbeschwerde nannte Starostik die Pflichtberatungen, die Anordnungsermächtigungen, die Überwachungsbefugnisse, die Kondompflicht sowie die Kriterien der persönlichen Zuverlässigkeit im Hinblick auf die Erlaubnispflicht.

In allen diesen Punkten sei jeweils die „Unbestimmtheit“, die „Unverhältnismäßigkeit“ bzw. der Widerspruch zu geltendem europäischem Recht ins Feld zu führen. In einer abschließenden Gesamtwertung sei die Unverhältnismäßigkeit des Gesamtkonzepts deutlich zu machen.

Starostik hob hervor, dass die Grundrechte nur der formale Aufhänger seien, dass es bei einer Verfassungsbeschwerde wesentlich darauf ankäme darzulegen, was tatsächlich passiere.

Die inhaltliche Diskussion drehte sich vor allem darum, diese tatsächlichen Bezüge zum Ausgangspunkt einer Beschwerde zu nehmen. Ohne sie sei ein Nachweis der Unverhältnismäßigkeit nicht überzeugend darzulegen. An einer Reihe von Punkten wurde die Diskussion im Hinblick auf die tatsächlichen Bezüge vertieft und entsprechende Zuarbeit als hilfreich und unerlässlich herausgestellt.

So sei etwa die gesetzliche Begründung der Anmeldepflicht mit Verweis auf Kriminalität, Menschenhandel und OK ausgesprochen vage und gelte es, hier mit empirischen Verweisen anzusetzen.

Die Problematik der örtlichen Beschränkung der Arbeit von Sexarbeiter/innen erfordere handfeste Nachweise zur örtlichen Mobilität mit entsprechenden Zahlen und Größenordnungen. Es wurde vereinbart, hier Material zu recherchieren und zur Verfügung zu stellen.

Auch im Hinblick auf die Kondompflicht wurde erörtert, mit welchen Argumenten deutlich zu machen sei, dass diese Regelung sowohl nicht geeignet als auch nicht erforderlich ist.

Die Versammelten verschafften sich im Anschluss an diese Debatte einen Überblick darüber, wer sich persönlich bereitfinde, die Verfassungsbeschwerde zu unterzeichnen. Es stellte sich schnell heraus, dass hier eine große Bereitschaft besteht. Viele der Anwesenden, deutsche und ausländische Sexarbeiter/innen, große und kleine Betreiber/innen sowie auch Prostitutionskunden werden die Verfassungsbeschwerde unterzeichnen. Dieses Ergebnis war sehr ermutigend.

Nichtsdestotrotz sollten noch Bemühungen unternommen werden ggf. männliche Sexarbeiter sowie Prostitutionskundinnen für die Verfassungsbeschwerde zu gewinnen.

Die Namen der Kläger sind nur dem Anwalt und dem Gericht bekannt. Sie werden nur bei Zustimmung des jeweiligen Klägers veröffentlicht.

Es wurde in Aussicht gestellt, dass der Entwurf der Verfassungsbeschwerde Ende März vorliegen solle und dann den Versammelten zu einer abschließenden Begutachtung vorgelegt werden solle.

Nächste gemeinsame Termine wären

– die Übergabe der Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe mit einer begleitenden Pressekonferenz
– sowie eine öffentliche Veranstaltung zur Verfassungsbeschwerde unmittelbar im Vorfeld des Inkrafttretens des Gesetzes.

Konkrete Vorschläge hinsichtlich der Terminierung dieser gemeinsamen Aktionen werden über Dona Carmen e.V. kommuniziert.

Das Treffen war plangemäß um 17 Uhr beendet.