Falsches Spiel

Die von interessierter Seite in regelmäßigen Abständen stets aufs Neue befeuerten Debatten um ein so genanntes ‚Sexkaufverbot‘ sind eine leidige Angelegenheit. Zum einen sind sie nie faktenbasiert, zum anderen wird auf die Angabe rational nachvollziehbarer Gründe für ein solches ‚Sexkaufverbot‘ verzichtet. Auch die Folgen eines solchen Verbots für die Betroffenen bleiben in aller Regel nebulös und verharmlosen deren Situation.

Debatten um die Forderung nach einem Sexkaufverbot sind daher eine Beleidigung des Intellekts und zugleich eine beispiellose Demonstration, zu welch empathielosem Verhalten man sich heutzutage schon öffentlich ohne Folgen bekennen kann.

Keine ernstzunehmende politische Kraft und keine ernstzunehmende politische Partei in Deutschland hat sich hierzulande die Forderung nach einem ‚Sexkaufverbot‘ zu eigen gemacht. Gleichwohl wird die Debatte darum immer wieder aufs Neue angeheizt. Warum eigentlich?

Worin besteht Sinn und Nutzen, worin besteht die Funktion dieser unappetitlichen Debatten um ein ‚Sexkaufverbot‘?

Die einzige reale Funktion, die die medial immer wieder von Neuem hochgekochten Diskussionen um ein ‚Sexkaufverbot‘ hat, besteht in der Ablenkung von den eigentlichen Problemen, mit denen Sexarbeiter*innen und die Prostitutionsbranche insgesamt konfrontiert sind.

Abgelenkt wird die Gesellschaft und abgelenkt werden Sexarbeiter*innen von ihren eigenen Interessen. Das Problem von Sexarbeiter*innen ist nicht „Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel“, sondern ihre anhaltende und systematische Entrechtung durch die hiesige Rechtsordnung, die tagtägliche Rechtlosstellung auf Grundlage des Prostituiertenschutzgesetzes und die rechtliche Ungleichbehandlung und Existenzvernichtungspolitik im Zuge und unter dem Vorwand der Covid-19-Bekämpfung.

Wer sich immer wieder aufs Neue bereitwillig in nicht enden wollende Debatten um das so genannte Schwedische / Nordische Model (‚Sexkaufverbot‘) einbinden lässt, sich diesen Debatten als Echo-Raum zur Verfügung stellt und sie damit befeuert, spielt ein schäbiges Spiel.

Ein Beispiel dafür liefert eine aktuell vom BesD organisierte zweitägige Stuttgarter Sexarbeiter*innen-Konferenz, wo auf der einzigen Podiumsdiskussion die Forderung des Sexkaufverbots im Zentrum steht, während das Prostituiertenschutzgesetz und die Sexarbeiter*innen betreffende Existenzvernichtungspolitik im Namen der Covid-19-Bekämpfung im Konferenz-Programm mit keiner einzigen Silbe erwähnt werden.

Das ist nicht etwa eine veritable Fehlleistung, sondern politisches Kalkül. Denn schon längere Zeit hat der BesD den Kampf gegen das Prostituiertenschutzgesetz durch ein Scheingefecht gegen das ‚Nordische Modell‘ des Sexkaufverbots ersetzt. Das tut niemandem weh. Und was die Covid-19-Politik betrifft, steht man Schulter an Schulter mit Behörden und Staat. Vielmehr Mainstream geht nicht.

Unter diesem Vorzeichen verkommen durchaus sinnvolle Treffen von Sexarbeiter*innen zur reinen Bauchnabelschau. Man lenkt den Blick weg von den eigentlich politisch Verantwortlichen für die gänzlich inakzeptable soziale und politische Situation von Sexarbeiter*innen hierzulande und orientiert sie gezielt ins politische Abseits. Das ist ein falsches Spiel. Mag sein, dass ein solches Verhalten gerade Konjunktur hat. Zukunft hat es nicht.