Gesundheitsamt missbraucht Beratung

Inquisitorische Verhörtechniken gegenüber Sexarbeiterin – Amtsleitung schweigt dazu.
Es reicht!

Seit 2017 sind Sexarbeiter*innen gemäß § 10 Prostituiertenschutzgesetz verpflichtet, sich in regelmäßigen Abständen einer „gesundheitlichen Beratung“ zu unterziehen. Nur unter dieser Bedingung ist ihnen die Ausübung des Berufs Prostitution erlaubt.

Als wäre der Zwang zu gesundheitlicher Beratung nicht schon schlimm genug, erklärt man im Main-Kinzig-Kreis ausgerechnet den „Sozialpsychiatrischen Dienst“ für zuständig, wenn es um die gesundheitliche Beratung von Sexarbeiter*innen geht!

Zuständigkeit des ‚Sozialpsychiatrischen Dienstes‘ – ein Unding!

Der „Sozialpsychiatrische Dienst“ ist – ausweislich der Angaben auf der Website des Gesundheitsamts – zuständig für „Menschen mit seelischen Problemlagen und / oder psychischen Erkrankungen“. Mit welchem Recht setzt das MKK-Gesundheitsamt Frauen, die der Prostitution nachgehen, „Menschen mit seelischen Erkrankungen, Suchterkrank-ungen und gerontopsychiatrischen Erkrankungen“ gleich? Gesundheitsberatung für Prostituierte gehört nicht in die Abteilung „Sozialpsychiatrischer Dienst“! Dass die Ausübung der Prostitution ein Indiz für eine „psychische Erkrankung“ sein soll, ist uns neu. Eine derart diskriminierende und stigmatisierende Zuordnung ist entschieden abzulehnen.

Die Psychiatrisierung von Prostituierten erinnert an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte und war bekanntlich der Vorläufer ihrer Diskriminierung und Verfolgung unter den Nazis. Hat man im Main-Kinzig-Kreis aus der deutschen Geschichte nichts gelernt?

Ganz offensichtlich aber hat man im MKK-Gesundheitsamt ein Problem mit Prostitution. Wie sonst erklärt sich die Tatsache, dass Sexarbeiter*innen dort inquisitorischen Verhörtechniken ausgesetzt werden?

Verhörtechniken statt Beratung? – Akzeptanz statt Arroganz!

Laut Prostituiertenschutzgesetz soll die obligatorische Gesundheitsberatung von Sexarbeiter- *innen eine Beratung über Krankheitsverhütung, Schwangerschaftsverhütung und Risiken des Alkohol- und Drogengebrauchs sein. Darüber hinaus sollen die zu beratenden Personen die Möglichkeit haben, eine bestehende Zwangs- oder Notlage zu offenbaren. Dafür soll eine offene und vertrauliche Atmosphäre geschaffen werden. Das ist im Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreises ganz offensichtlich nicht der Fall.

Stattdessen werden Sexarbeiter*innen im Stil inquisitorischer Verhörtechniken mit aufdringlichen und unzumutbaren Fragen konfrontiert, die ihre Menschenwürde, ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Freiheit der Berufswahl (Art. 12 GG) sowie ihr Recht auf Intimsphäre (Art. 2 GG in Verbindung mit Art. 1 GG) in Frage stellen und verletzen.

So wurden Frau U., einer Sexarbeiterin aus Rumänien, am Vormittag des 20. Juli 2021 von der Mitarbeiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes des MKK-Gesundheitsamts, Frau K., im Rahmen einer „gesundheitlichen Beratung“ nachfolgende Fragen gestellt. Wir fragen Sie:

Würden Sie sich diese Fragen von einer Behörde gefallen lassen?

● „Sind Sie verheiratetet?“
● „Haben Sie Kinder?“
● „Helfen Sie Ihrer Schwester, ihrem Bruder oder Ihrer Mutter?“
● „Schicken Sie Ihnen Geld?“
● „Warum machen Sie diesen Job überhaupt?“
● „Wie sind Sie überhaupt an diesen Job gekommen?“
● „Wie haben Sie von diesem Job erfahren? Bei normalen Jobs ist das schwieriger.“
● „Wie lange wollen Sie diesen Job noch machen?
● „Haben Sie einen Zuhälter?“
● „Ist Frau S. Ihre Chefin?“
● „Warum hat Frau S. Sie hierher zum Gesundheitsamt gefahren?“
● „Was denken Sie über diesen Job?“
● „Was denken Sie während des Verkehrs mit dem Kunden?“
● „Was sprechen Sie mit dem Kunden auf Ihrem Zimmer?“
● „Was machen Sie mit dem Kunden auf Ihrem Zimmer?“
● „Wie verläuft der Kontakt mit dem Kunden auf Ihrem Zimmer?“
● „Haben Sie einen Gast schon mal wegen mangelnder Körperhygiene abgelehnt?“
● „Blasen Sie Ihrem Kunden einen?“
● „Küssen Sie Ihre Kunden?“
● „Lassen Sie sich von den Kunden lecken?“
● „Darf der Kunde mit dem Finger an Ihrem Geschlecht spielen?“

Wie würden Sie sich fühlen, wenn man bei einer „gesundheitlichen Beratung“ von Ihnen die Beantwortung derartiger Fragen verlangt?

Wir wissen nicht, was Frau K. motiviert hat, so zu fragen: Ist es Voyeurismus? Ist es ein Hang zu kriminalistischer Ausforschung? Oder schlicht Lust an Schnüffelei?

Wir wissen aber, was das nicht ist: Solche Fragen entsprechen weder einer „gesundheit-lichen Beratung“, noch sind sie geeignet, ein vertrauensvolles Klima zu schaffen. Solche Fragen zeugen weder von Respekt gegenüber der befragten Person, noch von einer professionellen Haltung in der Beratungsarbeit. Solche Fragen verletzen Grundrechte, missachten die Vorgaben des Prostituiertenschutzgesetzes und überschreiten daher die Kompetenzen von Behördenmitarbeiterinnen.

Doña Carmen e.V., Verein für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten, hat den Leiter des Gesundheitsamts, Herrn Dr. Wolfgang Lenz, über diese untragbaren Zustände informiert und um eine Stellungnahme bzw. eine förmliche Entschuldigung der Behörden-mitarbeiterin gebeten. Fehlanzeige: 4 Wochen sind seitdem verstrichen – ohne eine Reaktion!

Wir sind diese behördliche Arroganz der Macht leid!

Wir fordern:

► Freie Berufsausübung in der Prostitution statt behördliche Inquisition!
► Keine Zwangsberatung von Sexarbeiter*innen durch den Sozialpsychiatrischen Dienst‘! – Weder in Gelnhausen noch anderswo!
► Akzeptanz statt Arroganz: Keine Sexarbeitsberatungen mehr durch Frau K.!

 

 

Wir bitten um Spenden
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IBAN: DE68 5005 0201 0000 4661 66

Vielen Dank