Internationaler Frauentag 2020

Schluss mit Zwangsregistrierung und Existenzvernichtung von Sexarbeiter/innen!

Am Samstag, den 7. März 2020, sprach Doña Carmen in Marburg auf der Demonstration und Kundgebung zum diesjährigen Internationalen Frauentag.
Nachfolgend das dort von uns verteilte Flugblatt:

Seit zweieinhalb Jahren erleben wir hierzulande eine massive Umwälzung im Prostitutionsgewerbe. Sie zielt darauf, die soziale und berufliche Existenz von etwa 90.000 Frauen zu vernichten. Frauen, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, außer dass sie in der Prostitution arbeiten, einem legalen Beruf.

Das dafür verantwortliche Gesetz wird fälschlicherweise „Prostituiertenschutzgesetz“ genannt. Doch um die Art von „Schutz“, den dieses Gesetz offeriert, haben die Prostituierten nie gebeten. Und sie brauchen ihn auch gar nicht. Das Gesetz hat sich diesbezüglich als totaler Flop erwiesen: Man findet nämlich gar keine „Zwangs-prostituierten“, die man doch vorgab, schützen zu wollen. Wo man auch hinschaut: Fehlanzeige. Daher der große Katzenjammer zurzeit.

Unter Schutz-Aspekten ist das ProstSchG eine einzige Mogelpackung. Es bietet stattdessen durchgängig Zwang: Zwangsberatungen in Gesundheits- und Ordnungsämtern; Zwangsregistrierung inklusive Zwangsouting; der Zwang, einen Hurenpass mit sich führen zu müssen, Zwang zur Konzessionierung bereits ab zwei Sexarbeiter-/innen, der Zwang, bei bloßem Verdacht auf Prostitution, Kontrollbehörden in die Wohnungen zu lassen; Kondomzwang; Zwangsgelder etc.

Die große Koalition, insbesondere das federführende SPD-Ministerium, war sich nicht zu schade, in zwei Fällen auf Maßregelungen zurückzugreifen, die in Deutschland zuletzt unter den Nazis praktiziert wurden: Die Registrierung von Prostituierten wurde zuletzt 1939 auf Grundlage des Frick-Heydrich-Erlasses praktiziert. Einen Hurenpass gab es zuletzt 1934 in Essen, eingeführt vom damaligen Essener Polizeipräsidenten, dem NSDAP-Mitglied und SS-Mann Karl Zach.

Der Zwang als zentrales Element des Prostituiertenschutzgesetzes dient dem Ziel der Eindämmung von Prostitution. Die Folgen dieser Politik sind verheerend.

Ende 2018 gab es offiziell 33.000 registrierte und mit Hurenpass versehene

Sexarbeiter/innen. Ende 2019 sind es nach Berechnungen von Doña Carmen e.V. bereits rund 53.000 mit Hurenpässen versehene Frauen. Zusammen mit den Frauen, die von den Gesundheitsämtern erfasst werden, aber anschließend keinen Huren-pass beantragen, sind das rund 70.000 staatlich erfasste Sexarbeiter/innen.

Viele der betroffenen Frauen wurden durch das Gesetz in die Illegalität getrieben. Prostitutionsmigrantinnen haben aufgrund des Gesetzes ihre Koffer gepackt und sind in andere Länder gegangen. Fazit: Das repressive Prostituiertenschutzgesetz wirkt!

Der Skandal des Prostituiertenschutzgesetzes ist nicht, dass es wirkungslos ist, wie manche meinen. Der Skandal ist vielmehr, dass es weiter konsequent gegen Sexarbeiter/innen umgesetzt wird, obwohl man partout keine „Zwangs-prostituierten“ findet!

Hinsichtlich des angeblichen „Schutzes“ ist das Gesetz eine Mischung aus Mogel-packung und Rohrkrepierer. Das gilt nicht, wenn wir die bisherigen verheerenden Folgen der Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten betrachten.

Rund 70 % der Prostitutionsstätten haben in Anbetracht der Vorgaben der Erlaubnispflicht bereits im Vorfeld einer Konzessionierung das Handtuch geworfen. Vor allem kleine Wohnungsbordelle sind wie vom Erdboden verschluckt. Gründe dafür sind bewusst überzogene Vorgaben, Sperrgebietsregelungen und baurechtliche Vorgaben. Bei den verbleibenden 30 % Prostitutionsstätten, die in das Konzessionierungsverfahren gehen, gilt die Faustregel: Auf 2 Genehmigungen kommt 1 Versagung. Mit anderen Worten: Das Ganze ist als Lotteriespiel angelegt. Da wird niemand mehr investieren. Genau das ist die Absicht.

Als Illustration der genannten Größenordnungen kann das Beispiel Berlin (Stand Oktober 2019) dienen: Es gibt in Berlin geschätzt 600 Prostitutionsstätten, aber nur 208 haben eine Konzession beantragt. Davon sind 25 genehmigt, 17 versagt und in 166 Fällen befindet sich das Verfahren zum Teil schon seit über 2 Jahren in Bearbeitung. So schafft man Rechtsunsicherheit. Genau das ist beabsichtigt. Ein Szenario also, dass so oder so auf Schließung hinausläuft. Was Sie in Berlin finden, finden Sie ebenso in Wiesbaden, Stuttgart und anderswo.

Das Ergebnis: Man zwingt die Frauen auf die Straße, in Gaststätten und Hotels. Man verdrängt sie ins Internet und in eine neue Form illegaler Wohnungsprostitution. Nur wenige bleiben am Ende in FKK-Clubs und Bordellen. Für gesundheitliche Präventionsangebote sind diese Menschen nicht mehr erreichbar.

Ein Gesetz wie das „Prostituiertenschutzgesetz“ kann man nicht novellieren. Es ist von A bis Z Murks. Es richtet sich vor allem gegen migrantische Frauen in der Prostitution, ist also durch und durch rassistisch. Man kann ein solches Gesetz nur in die Tonne kloppen und einstampfen.

Die Alternative zum Prostituiertenschutzgesetz ist die vollständige Legalisierung des Berufs Prostitution auf Grundlage einer rechtlichen Gleichbehandlung mit anderen Berufen. Die sofortige Aussetzung der Umsetzung des ProstSchG wäre der erste dringende Schritt auf diesem Weg.

Weg mit dem Prostituiertenschutzgesetz !