Doña Carmen e.V. fordert eine umgehende Beendigung des Sexarbeits-Registrierungs-Zirkus sowie die Einstellung der Zwangsberatungen, denen sich Prostituierte hierzulande seit Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes unterziehen müssen.
Unsere Forderung ist absolut berechtigt. Man möge sich erinnern: Das Prostituiertenschutzgesetz ist seinerzeit nicht zuletzt damit begründet worden, dass es gelte, Sexarbeiter/innen vor „Zwangsprostitution“ zu schützen.
Doch wie steht es eigentlich um die Zahl der im Rahmen obligatorischer Beratungsgespräche aufgespürten „Zwangsprostituierten“?
Nachfolgend stellen wir diesbezüglich einige Zwischenergebnisse aus verschiedenen Städten und Bundesländern vor. Sie verdeutlichen, dass es im Zuge der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes so gut wie gar nicht auf so genannte „Zwangsprostituierte“ stößt.
Die ständige Rede von „Zwangsprostitution“, die der Bundesregierung als Rechtfertigung für ihr Prostituiertenschutzgesetz galt, die den Prostitutions-Abolitionisten als bequeme Lebenslüge dient und von Medien unkritisch immer wieder als Klischee aufgewärmt und verbreitet wird, erweist sich bei Licht betrachtet vor allem als Schreckgespenst. Ein gesellschaftlich relevantes Phänomen ist es auf keinen Fall.
Hier einige Zwischenergebnisse aus der bisherigen Prostituierten-Registrierung:
- KARLSRUHE (August 2018)
(313.000 Einwohner / 665 Gesundheitsberatungen / 400 Beratungen bei Ordnungsbehörde)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 1 von 665 = 0,15 %
„Bislang haben wir 400 Gespräche geführt“, sagt Ordnungsamtsleiter Björn Weiße. Sein Eindruck: Die Frauen kommen hauptsächlich aus Osteuropa und es ist vor allem die Armut, die sie in die Prostitution führt. „Die meisten Frauen, die bisher bei uns waren, hatten kein Interesse an einem Gespräch, sie empfanden es eher als lästig und unnötig“, so Weiße… Nur in einem Fall habe eine Rumänin, die zur Prostitution gezwungen wurde, um Hilfe gebeten, berichtet Bauer. 665 Beratungsgespräche haben die Ärztin und ihr Team bislang geführt, drei davon mit Männern.“
Quelle: Badische Neueste Nachrichten, 14.08.2018, https://bnn.de/lokales/karlsruhe/ prostituiertenschutzgesetz-gemischtes-fazit-nach-einem-jahr
- NÜRNBERG (Dezember 2018)
(518.000 Einwohner / 947 Gesundheitsberatungen / 803 Beratungen bei Ordnungsbehörden)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 0 von 947 = 0 %
„Wir haben in Nürnberg das Möglichste gemacht“, sagt Fred-Jürgen Beier. „Aber was die Wirkung betrifft, sind wir immer noch zurückhaltend.“ So fasst der Leiter des städtischen Gesundheitsamts seinen Zwischenbericht für den Gesundheits-ausschuss des Stadtrats zusammen. Zwangsprostitution aufdecken? Keinen einzigen Hinweis darauf erhielten seine Mitarbeiter in fast 1000 Gesprächen. Viele Frauen berichteten zwar, dass sie aus sozialer Not arbeiten – aber keine einzige räumte bisher ein, dass sie dazu gezwungen werde. Dafür ist die Scheu vor den Behörden zu groß.“
Quelle: www.nordbayern.de, 01.12.2018
- BERLIN (März 2019)
(3.645.000 Einwohner / 1.100 Gesundheitsberatungen)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 0 von 1.100 = 0 %
„Und wie sieht es aus bei der Gruppe, der das Gesetz am dringendsten helfen soll – den Opfern von Menschenhandel – den Zwangsprostituierten? Es hätte bisher noch keinen Fall gegeben, wo jemand gesagt habe „Retten sie mich […], ich bin hier unter Zwang“. Ein paar wenige Male hätten die Beraterinnen einen gewissen Verdacht gehabt, sagt Angelika Schöttler. Sie hätten diesen Frauen Adressen von speziellen Hilfsstellen für Menschenhandelsopfer gege-ben. „Von diesen Stellen wiederum erfahre ich: Rücklauf negativ“, Schöttler.
Quelle: https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/03/prostitution-prostitutionsausweis-sex-berlin-zwang-frauen.html, 12.03.2019
- BUNDESLAND SACHSEN (März 2019)
(4.078.000 Einwohner / 722 Gesundheitsberatungen)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 0 von 722 = 0 %
„Wie es im Vorfeld von vielen Expertinnen und Experten erwartet wurde, zeigt sich nun auch in Sachsen bei den ersten Beratungserfahrungen, dass die Prostituierten innerhalb des einmaligen kurzen Informations- und Beratungsgesprächs nicht über ihre etwaige Zwangslage sprechen„, konstatiert die Abgeordnete. „Auch wenn die Beratenden häufiger den Eindruck einer Zwangslage hatten, konnten sie nicht wirksam eingreifen. Wie zu befürchten war, läuft die Intention des Prostituiertenschutzgesetzes somit ins Leere.“
Quelle: https://www.blick.de/sachsen/prostituiertenschutzgesetz-schuetzt-die-prostituierten-nicht-artikel10474176, 21.03.2019
- BIELEFELD (Mai 2019)
(Bielefeld registriert für 6 Kreise = 1.721.000 Einwohner / 1.005 Gesundheitsberatungen)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 0 von 1.005 = 0 %
„Wenn sie merke, dass eine Frau Probleme mit der Familie, mit Krankheiten oder Ähnlichem habe, dann stelle sie Kontakt zu Hilfsorganisationen her. ‚Aber in der Regel kommen die Frauen zu uns, die sich bewusst für die Prostitution entschieden haben. Es kommt niemand her und sagt, ich will das eigentlich gar nicht machen.‘“
Quelle: https://www.nw.de/lokal/kreis_guetersloh/guetersloh/22461152_Zahl-der-gemeldeten-Prostituierten-im-Kreis-Guetersloh-mehr-als-verdreifacht.html, 22.05.2019
- KREIS WESEL (September 2019)
(460.000 Einwohner / 543 Gesundheitsberatungen / 530 Beratungen bei Ordnungsbehörde)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 2 von 543 = 0,36 %
„543 Prostituierte sind seitdem durch die Fachdienste des Kreises beraten wor-den, davon 82 Prostituierte unter 21 Jahren und drei Männer. 530 Anmeldungen als Prostituierte gab es. Nur vier Frauen verzichteten nach der Beratung auf eine Tätigkeit als Prostituierte. In zwei Fällen wurden Anmeldebescheinigungen wegen des Verdachts auf Zwangsprostitution nicht ausgefüllt.“
Quelle: https://rp-online.de/nrw/staedte/wesel/kreis-wesel-prueft-prostitution-in-asiatischen-massage-salons_aid-45761293, 11.09.2019
- FRANKFURT/MAIN (Oktober 2019)
(753.000 Einwohner / 2.804 Gesundheitsberat. / 2.132 Beratungen bei Ordnungsbehörde)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 2 von 2.804 = 0,07 %
„Das Feststellen von Zwangsprostitution im Rahmen der Beratungen ist aus unterschiedlichen Gründen komplex und schwierig. Mit einer hohen Dunkelziffer ist zu rechnen. Bisher gab es lediglich zwei Fälle, in denen aus dem Beratungs-vorgang heraus eindeutig auf das Vorliegen von Zwangsprostitution geschlossen werden konnte.“
Quelle: Bericht des Magistrats B 383, https://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?TEXT=B+383&TEXT_O=beinhaltet+%28ungef%E4hr%29&FORMFL_OB=DATUM&FORM_SO=Absteigend&?232?4?, 28.10.2019
- HAMBURG (November 2019)
(1.841.000 Einwohner / 1.600 Gesundheitsberatungen)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 9 von 1.600 = 0,56 %
„In Hamburg wird die Zahl von Sexarbeitenden auf 5.200-6.000 geschätzt. Davon sind bislang etwa 1.600 registriert. Beim Anmeldeverfahren wurde bislang in 9 Fällen eine Notlage aufgedeckt und entsprechend interveniert.“
Quelle: https://www.kaufmich.com/magazin/fachtag-ueber-sexarbeit-sexkaufverbot-und-menschenhandel-in-berlin/, 08.11.2019
- KREIS HERSFELD-ROTENBURG (Januar 2020)
(121.000 Einwohner / 34 Gesundheitsberatungen)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 0 von 34 = 0 %
„Die Ausstellung der „Hurenpässe“ übernimmt Vollmar allerdings nicht. „Wir waren uns einig, dass das besser eine Frau machen sollte“, sagt er. Die will ihren Namen lieber nicht in der Zeitung nennen, berichtet aber: „Ich hatte bis-her nie den Eindruck, dass eine der Frauen gegen ihren Willen hier war. Sie dürfen auch nur alleine zum Gespräch kommen.“ Die externe Kreis-Frauen-beauftragte Elke Künholz sagt, dass keine Fälle von Zwangsprostitution bekannt seien – eine gewisse Dunkelziffer sei aber möglich.“
Quelle: https://www.hna.de/lokales/rotenburg-bebra/prostituierte-sind-kreis-hersfeld-rotenburg-angemeldet-13454318.html?cmp=defrss, 21.01.2020
- BUNDESLAND THÜRINGEN (Februar 2020)
(2.143.145 Einwohner / 400 Gesundheitsberatungen)
Zahl der mutmaßlichen „Zwangsprostituierten“: 0 von 400 = 0 %
„Bisher hätten etwa 400 Anmeldeberatungsgespräche stattgefunden, teilte das Thüringer Innenministerium Anfang Februar mit. Fälle von Zwangsprostitution seien nicht bekannt geworden.“
Quelle: https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/thueringer-behoerden-fehlt-im-rotlichtmilieu-der-ueberblick-id228452005.html, 18.02.2020
Als Zwischen-Fazit lässt sich mithin festhalten:
In den Jahren 2018 / 2019 hat man im Zuge der Registrierung von Sexarbeiter/innen auf Grundlage des Prostituiertenschutzgesetzes in einem Gebiet, in dem insgesamt 16,5 Mio. Einwohner leben (= 16 % der deutschen Gesamtbevölkerung) unter 9.420 staatlich erfassten Sexarbeiter/innen laut Behördenangaben gerade einmal 14 Fälle mutmaßlicher „Zwangsprostitution“ bzw. „Notlagen“ aufgedeckt.
Das sind 0,15 % der im Zuge der Registrierung in den genannten Orten. Kreisen und Bundesländern zum jeweiligen Zeitpunkt registrierten Sexarbeiter/innen. Bei 99,8 % der dort registrierten Sexarbeiter/innen konnte mithin keine so genannte „Zwangsprostitution“ nachgewiesen werden. Die Schlussfolgerung aus diesem Sachverhalt kann mithin nur lauten:
„Zwangsprostitution“ und „Menschenhandel“ sind im Prostitutionsgewerbe keine gesellschaftlich relevanten Sachverhalte.
Sofern das Prostitutiertenschutzgesetz auch nur etwas geleistet hat, so handelt es sich um den unfreiwillig erbrachten Nachweis, dass es sich bei der viel zitierten „Zwangsprostitution“ vor allem um ein Phantom handelt, dessen einziger Sinn darin besteht, ein unliebsames Sexualverhalten durch Stigmatisierung in Misskredit zu bringen.