Pressemitteilung: „Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“:

Ein herber Schlag gegen Prostitutionsmigrantinnen!

Mit dem kurz vor der Verabschiedung stehenden „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ setzt die regierende CDU/CSU/SPD-Koalition auf lupenreinen Nationalismus und den weiteren Abbau demokratischer Rechte.

Insbesondere die Neueinfügung eines § 28a IfSG („Besondere Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2“) sowie die Änderung des § 36 IfSG („Infektionsschutz bei bestimmten Einrichtungen, Unternehmen und Personen; Verordnungsermächtigung“) sind in hohem Maße besorgniserregend.

Der neue § 28a Infektionsschutzgesetz ermöglicht diesmal auf gesetzlicher Grundlage Anordnungen (nicht nur) gegenüber dem Prostitutionsgewerbe wie etwa die „Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Kultur- oder Freizeitgestaltung zuzurechnen sind“.
 
Wieder einmal wird nicht zwischen Kontakten bei Großveranstaltungen wie Fußball und Konzerten einerseits und 1:1-Kontakten wie im Prostitutionsgewerbe unterschieden. Es ist also zu vermuten, dass beides – wie auch im gegenwärtigen Lockdown – undifferenziert in einen Topf geworfen wird.

Es geht der Bundesregierung um eine allgemeine „Reduzierung von Mobilität“, unabhängig davon, ob die betroffenen Einrichtungen erwiesenermaßen Infektionsherde für Covid-19 sind oder nicht. Da der Beruf Prostitution sehr stark mit Mobilität verknüpft ist, wäre er in besonderem Maße betroffen.

Die mit § 28a IfSG fortan ermöglichten „besonderen Maßnahmen“ werden im neuformulierten § 36 Infektionsschutzgesetz noch getoppt. Dabei handelt es sich um die Installation eines nahezu perfekten Überwachungsregimes im Hinblick auf Grenzübertritte.

Denn Einreisende aus (ausländischen) „Risikogebieten“ sind verpflichtet, bereits im Vorfeld einer (Wieder-) Einreise in Deutschland sowohl „personenbezogene Angaben“ als auch „Angaben zu Aufenthaltsorten bis zu zehn Tagen vor und nach der Einreise“ digital über ein elektronisches Meldesystem direkt an das Robert-Koch-Institut zu übermitteln. Nicht nur gegenüber Grenzkontrollbehörden, auch gegenüber Beförderungsunternehmen sind Einreisende aus Risikogebieten verpflichtet, zusätzlich zum „Nachweis“ der Erfüllung oben genannter Pflichten eine Impfdokumentation und ein (negatives) Testergebnis vorzulegen. Ansonsten sei eine „ärztliche Untersuchung“ zwecks Ausschluss der Krankheit „zu dulden“. Bei Nichteinhaltung der „Verpflichtungen bei der Einreise“ werden darüber hinaus „zuständige Behörden“ in Kenntnis gesetzt.

Mit diesen Regelungen werden Reisen in das EU-Ausland gegenüber reinen Inlandsreisen benachteiligt und im Zweifel mit Sanktionen belegt. Denn Risikogebiete gibt es laut Gesetz lediglich im Ausland. Ein derartiges Gesetz mit solchen Maßnahmen ist durch und durch nationalistisch und europarechtlich höchst bedenklich, da es gegen Art. 21 (Personenfreizügigkeit) sowie gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV („Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“) verstößt.

Diese Maßnahmen betreffen nicht nur Sexarbeiter/innen, aber sie trifft es mal wieder in besonderem Maße. Denn die meisten hier tätigen migrantischen Sexarbeiter/innen kommen allesamt aus Staaten, die vom RKI schon längst als „Risikogebiete“ benannt worden sind, wie zum Beispiel Rumänien, (seit 7. Oktober), Bulgarien (seit 1. November), Dominikanische Republik (seit 15. Juni) und Kolumbien (seit 15. Juni).

Die genannten Maßnahmen sind auch deshalb als nationalistisch einzustufen, weil sie die Bedrohung am Kriterium des Auslands-Aufenthalts an sich festmachen, ganz gleich ob man sich dort an Vorgaben gegen die Ausbreitung von Corona gehalten hat oder nicht.

Hinzu kommt: Das Gesetz enthält eine problematische Übertragung hoheitsstattlicher Befugnisse an private Beförderungsunternehmen, die sich fortan gegenüber den Betroffenen jetzt als Hilfssheriffs und staatlich lizensierte Schnüffler aufspielen müssen.

Doña Carmen e.V. verurteilt das Vorgehen der Bundesregierung, die unter Ausnutzung der Sorge der Bevölkerung vor gesundheitlicher Beeinträchtigung durch Covid-19 in Wirklichkeit auf die Schnelle ein lupenrein nationalistisch motiviertes Überwachungssystem installiert. Es geht um Überwachung und Kontrolle, nicht um Gesundheitsschutz.

Gerade aus Perspektive von Sexarbeiter/innen, die mit angeblichen Schutzversprechen der CDU/CSU/SPD-Koalition schon reichlich leidvolle Erfahrungen gesammelt haben (‚Prostituiertenschutzgesetz‘), sagen wir ganz entschieden: „Nein!“ zum „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“!