Seit Mitte März 2020 erließen die Landesregierungen Corona-Verordnungen, mit denen sie flächendeckend den Betrieb konzessionspflichtiger Prostitutionsgewerbe verboten. Anschließend schickte man sich an, auch die Prostitutionstätigkeit als „körpernahe Dienstleistung“ wegen Verstoß gegen das 1,5-Meter-Abstandsgebot zu untersagen.
Die vielfach verbreitete Vorstellung, unter dem Vorzeichen von Corona sei die Ausübung der Prostitutionstätigkeit damit gänzlich verboten, teilt Doña Carmen e.V. allerdings nicht.
Die unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Bundesländer zeigen stattdessen, dass sich die Bundesländer hinsichtlich der Möglichkeit einer weiterhin bestehenden Prostitutionstätigkeit drei unterschiedlichen Gruppen zuordnen lassen. Es gibt aktuell
5 Bundesländer mit relativ eindeutigem Verbot der Prostitutionstätigkeit:
Berlin, Bremen, Hamburg, NRW und Schleswig-Holstein;
4 Bundesländer, deren Verordnungen Prostitutionstätigkeit nicht verbieten:
Bayern, Hessen, Saarland und Baden-Württemberg (hier mit Ausnahme von Stuttgart, Baden-Baden und Karlsruhe aufgrund örtlicher Verfügungen);
7 Bundesländer, deren Verordnungen den rechtlichen Umgang mit Prostitutionstätigkeit in einem Graubereich belassen:
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Daraus folgt, dass die Aussage, unter Corona sei in ganz Deutschland die Ausübung der Prostitution verboten, nicht den Tatsachen entspricht.
In Bundesländern, die den rechtlichen Umgang mit Prostitutionstätigkeit im Graubereich belassen, ist der Knackpunkt darin zu sehen, dass sich deren Verordnungen nicht auf körpernahe „Dienstleistungen“, sondern lediglich auf „Dienstleistungsbetriebe“ beziehen. Die Prostitutionstätigkeit als solche ist jedoch weder ein „Betrieb“ noch eine „Einrichtung“, sondern ein „Angebot“. Sie wird daher nach unserem Dafürhalten von diesen Verordnungen nicht erfasst.
Der aktuelle Umgang mit Prostitution beruht in allen Fällen auf Verordnungen der Exekutive (Landesregierungen und Ministerien). Er ist nicht durch Beschlüsse demokratisch legitimierter Parlamente zustande gekommen. Eine rechtliche Überprüfung derartiger Verordnungen, d. h. rechtlicher Widerspruch und gerichtliche Klärung, wären mithin nötig und wünschenswert.
So geschehen in Bayern: Dort hat am 30.03.2020 der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München in der Frage der Einhaltung des Mindestabstands entschieden.
In der Bayerischen Corona-Verordnung heißt es:
„Jeder wird angehalten, die physischen und sozialen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren.“
Dazu erklärte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof: Diese Aufforderung habe lediglich den Charakter einer Präambel. Es sei kein vollziehbares, geschweige denn ein durchsetzbares Gesetz. Die in der Verordnung festgelegte und mit Bußgeld bewehrte Forderung nach einem Mindestabstand von 1,5 Metern kann daher bei einem Verstoß überhaupt nicht geahndet werden. Letztlich müsse, so der Verwaltungsgerichtshof, „die Einhaltung und Kontrolle des Abstands im Einzelfall letztlich den Normadressaten überlassen bleiben“.
Das heißt: Jeder muss selbst entscheiden, ob und wann er sich an diese Regelung hält oder ob man eine Ausnahme von der Regel für richtig und notwendig hält. In der Realität heißt das: Es braucht erst einer direkten Weisung durch einen Polizeibeamten, den Mindestabstand einzuhalten. Erst, wenn man sich dann weigert, einer solchen Anweisung zu folgen, könnte – wenn überhaupt – ein Bußgeld verhängt werden. Ein generelles Verbot, sich jemanden auf einen kürzeren Abstand als 1,5 Meter zu nähern, würde hingegen laut Gericht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen.
In der Zwischenzeit wurde der Bußgeldkatalog vom Bayerischen Innenministerium aktualisiert mit der Folge, dass ein Verstoß gegen das Abstandsgebot nicht mehr mit Bußgeld belegt wird.
Die Frage nach der bestehenden rechtlichen Lage ist zu klären unabhängig von der Frage, ob Prostitution unter den Bedingungen der Corona-Pandemie sinnhaft ist.
Doña Carmen e.V. empfiehlt allen Sexarbeiter/innen, ernsthaft zu erwägen, ob sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt sexuelle Dienstleistungen anbieten (müssen). Eine Unterschätzung des Corona-Virus halten wir für nicht ratsam.
Gleichwohl sollten alle Kollegen/innen wissen, wie es um die einzelnen Regelungen in den einzelnen Bundesländern bestellt ist für den Fall, dass sie entscheiden, der Prostitution nachzugehen.
Daher empfehlen wir allen, die nachfolgend aktualisierte Übersicht über die momentan geltenden Corona-Verordnungen der Bundesländer zur Kenntnis zu nehmen. (Stand 21.04.2020)
Betriebsuntersagungen im Prostitutionsgewerbe