Am 15. März, dem „Internationalen Tag gegen Polizeigewalt“, beteiligte sich Doña Carmen e.V. an der von copwatch organisierten Kundgebung an der Frankfurter Hauptwache. Dabei thematisirten wir die Schikanen gegen Sexarbeiter*innen aufgrund von Sperrgebietsverordnungen. Hier unser Redebeitrag:
Liebe Freund*innen,
liebe Mitstreiter*innen,
lasst mich kurz einen Blick zurückwerfen:
Vor einem Jahr hat Dona Carmen an dieser Stelle den Corona-Lockdown und die Totalschließung der hiesigen Bordelle mit scharfen Worten kritisiert.
Wir haben damals gesagt, dass die Schließung der Bordelle die Sexarbeiter*innen in informelle Strukturen zwinge, dass sie in Hotels, Hostels, in Privatwohnungen und auf Straßen arbeiten werden, da Hartz IV mit dem lausigen Regelsatz von 434 € monatlich hinten und vorne zum Leben nicht reicht.
Wir haben die damalige Schließung der Bordelle als strukturelle Gewalt gegen Frauen bezeichneten. Wir hatten damit vollkommen Recht.
Ausgerechnet der Frankfurter Polizeipräsident Bereswill hat in seiner Präsentation der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2021 die Aussagen von Doña Carmen bestätigt.
Nur noch 96.000 Fälle registrierter Kriminalität habe es 2021 in Frankfurt gegeben, so Bereswill. Eine Zahl, so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Doch die Bilanz sei leider in einiger Hinsicht getrübt, wie er sagt. So gäbe es im Falle der „Ausübung verbotener Prostitution“ mit 127 Fällen eine Steigerung um satte 200 Prozent!
Der Polizeipräsident ließ die örtliche Presse wissen, es handele sich hierbei um „negative Auswirkungen der Pandemie“. (vgl. Frankfurt Journal, 18.2.2022).
Was für eine Dummheit, was für eine Dreistigkeit, was für eine Augenwischerei!
Das Ansteigen von „Kriminalität“ im Bereich Prostitution ist keine negative Folge der Pandemie, kein Naturereignis. Sie ist vielmehr die Folge einer systematisch betriebenen Kriminalisierung der Prostitution durch das Ordnungswidrigkeitenrecht, das Strafrecht und das Polizeirecht. Sie ist „hausgemacht“ und wird instrumentalisiert, damit sich die Polizei gegenüber der Öffentlichkeit als Hüterin der „öffentlichen Ordnung“ aufspielen kann. Das ist eine Schmierenkomödie.
Wir kennen die Vorgänge nur zu gut:
► Erst die Observierung der Frauen mittels racial profiling.
► Dann die überfallartige Zusammenrottung von Polizeikräften im Bahnhofsviertel – wie eine Art Flashmob.
► Dann die Aufforderung an die migrantischen Frauen, sich mit erhobenen Händen an die Wand zu stellen. Natürlich vor aller Öffentlichkeit, um sie maximal zu beschämen.
► Dann die Feststellung ihrer Personalien, um sie zu verängstigen.
Die Folgen sind Platzverweise, Bußgelder, Strafbefehle bis hin zu Ausweisungen. Als wäre damit irgendein Problem gelöst!
Das alles hat seine Grundlage in den Sperrgebietsregelungen, verankert in Art. 297 Einführungsgesetz Strafgesetzbuch. Obwohl Prostitution als „Beruf“ anerkannt ist, wird sie nichtsdestotrotz seit nunmehr 95 Jahren mit so genannten „Sperrbezirksverordnungen“ traktiert.
Die in der Schweiz lehrende Strafrechtswissenschaftlerin Sabine Gleß hat zurecht hervorgehoben, dass es die ganz spezielle nationalsozialistische Fassung der Sperrgebietsverordnung vom 1. Juni 1933 war, die als „Verbots-Ermächtigung“ der heutigen Praxis zugrunde liegt.
Wir sagen: Solche repressiven Regelungen gehören abgeschafft! Sie lösen keine Probleme, sie schaffen nur welche.
In 12 von 16 Bundesländern wird der Polizei in den Polizeigesetzen der Länder das Recht eingeräumt, nachts Wohnungen und Geschäftsräume zu betreten und zu durchsuchen, wenn sie der Prostitution dienen – und zwar ohne dass eine „Gefahr im Verzug“ vorliegen muss.
Wir sagen: Das gehört abgeschafft! Das ist mutwillige Kriminalisierung und öffnet Polizeigewalt Tür und Tor. Das löst keine Probleme, es schafft nur Probleme.
Begründet wird diese Praxis durch § 104 Strafprozessordnung. Dort wird das Recht auf Durchsuchung von Räumen zur Nachtzeit, insbesondere an solchen Orten gerechtfertigt, die – ich zitiere – „als Schlupfwinkel des Glücksspiels, des unerlaubten Betäubungsmittel- und Waffenhandels oder der Prostitution bekannt sind“. (Zitat Ende)
Hier werden skandalöserweise Prostitution und Kriminalität einfach gleichgesetzt. Nochmals: Solche Regelungen gehören abgeschafft. Sie sind Ausdruck einer mutwilligen Kriminalisierung, nicht aber eines berechtigten Schutzes vor Kriminalität.
Diese Regelungen zeigen: Die Polizei ist Teil dieses schäbigen Spiels auf Kosten der Rechte von Sexarbeiter*innen. Das muss ein Ende haben!
Die unsägliche strafrechtliche Sonderbehandlung von Prostitution setzt sich fort im heute geltenden Prostituiertenschutzgesetz. Dieses Gesetz schützt Sexarbeiter*innen nicht, sondern diskriminiert sie unter dem Vorwand des Schutzes mit Zwangsberatungen, Zwangsregistrierungen usw. Ich erspare mir weitere Ausführungen. Wir stünden sonst morgen früh noch hier.
Wir sagen aber ganz deutlich: Diese Politik stinkt zum Himmel!
Die Alternative zu repressiven Polizeigesetzen, zu Diskriminierung im Ordnungsrecht, im Strafrecht und durch das Prostituiertenschutzgesetz ist die vollständige Legalisierung von Prostitution auf Grundlage einer rechtlichen Gleichbehandlung mit anderen Berufen.
Nicht in ferner Zukunft, sondern heute!
Danke für Eure Aufmerksamkeit!
Wir bitten um Spenden
Frankfurter Sparkasse 1822
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Vielen Dank