In Frankfurt findet am 23. April 2018 ein Kongress „Zukunft Rotlicht“ statt. Prostitutionsgegner fordern die Stadt Frankfurt auf, den Veranstaltern den Mietvertrag zu kündigen. Dazu nimmt Doña Carmen e. V., Verein für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten, wie folgt Stellung:
1.
Es scheint in Frankfurt/Main neuerdings immer mehr Mode zu werden, nicht genehme politische Positionen u.a. mittels Verweigerung von Veranstaltungsräumlichkeiten aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Das ist der Fall mit dem Ausschluss von Bordellführungen aus dem offiziellen Programm der Frankfurter Bahnhofsviertelnacht, mit dem Ausschluss israelkritischer Veranstaltungen aus städtischen Räumlichkeiten per Magistratsbeschluss sowie mit dem Ausschluss verschiedenster Veranstaltungen aus Räumen der Frankfurter Goethe-Universität in jüngster Zeit.
Die jetzt von einigen abolitionistischen Grüppchen in gewohnter Zusammenarbeit mit evangelikalen Christen („Save Rahab“) betriebene Versuch, einem für April 2018 geplanten Kongress „Zukunft Rotlicht“ entgegenzutreten, indem man die Saalbau GmbH und damit indirekt die Stadt Frankfurt auffordert, den Veranstaltern die Räume für besagte Tagung zu kündigen, setzt diese unsägliche Linie fort. Es handelt sich hierbei um eine Einschränkung demokratischer Rechte, um eine elende und feige, im Kern illiberale Verbotspolitik, durch die man versucht, gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen und sie aus dem öffentlichen Raum zu drängen. So schafft man ein Klima der Verdächtigungen und der Denunziation.
2.
Prostitution ist in Deutschland seit 2002 ein rechtlich anerkannter Beruf. Gleiches gilt für die Tätigkeit als Bordellbetreiber, wie die renommierte Strafrechtlerin Margarete von Galen dargelegt hat. (1) Dem Verbots-Anliegen der Prostitutionsgegner fehlt schon von daher jede rechtliche Grundlage.
3.
Sich hinzustellen, als würde man mit seiner Forderung nach einer Raumkündigung für die Tagung einer „Verachtung für prostituierte Frauen“ entgegentreten und dagegen „erbitterten Widerstand“ leisten, ist abolitionistische Rosstäuscherei und purer Dummenfang.
Die Verachtung von Sexarbeiter/innen findet gegenwärtig ihren konzentrierten Ausdruck im so genannten „Prostituiertenschutzgesetz“. Es sieht vor: regelmäßig zu wiederholende Zwangsberatungen von Sexarbeiterinnen, die Zwangsregistrierung der Frauen inklusive eines damit verbundenen Zwangsoutings durch maximale Verbreitung ihrer Daten. Es zwingt die Frauen, ständig einen Hurenpass mit sich zu führen. Es zwingt die Frauen, ihre Daten den Bordellbetreibern vorzulegen und unterwirft sie im Kontext der Erlaubnispflicht einem ausgefeilten Kontroll- und Überwachungsregime, u. a. in Gestalt eines jederzeitigen Betretungsrechts von Behörden und Polizei im Hinblick auf (vermutete) Wohnungsprostitution und Bordelle.
Dieses Gesetz ist eine massive Entrechtung und damit strukturell die maximale Verachtung der betroffenen Frauen. Hat man jemals gehört, dass abolitionistische Grüppchen, die sich da jetzt zu Wort melden, gegen diese Zwangsmaßnahmen ihre Stimme erhoben hätten? Nein, das hat man nicht. Im Gegenteil. Was die Prostitutionsgegner eint, ist ihre klammheimliche Freude über dieses frauen- und prostitutionsfeindliche Schandgesetz sowie das Bedauern, dass es im Sinne einer Abschaffung von Prostitution nicht noch schärfer ausgefallen ist.
4.
Völlig lachhaft ist es, wenn abolitionistische Prostitutionsgegner versuchen, sich darüber hinaus als Gegner von „sexueller Ausbeutung“ und „wirtschaftlichen Profiteuren“ in Szene zu setzen. Man ist bemüht, sich auf diese Weise einen menschenfreundlichen, ja geradezu „linken“ Anstrich zu geben. Mit den gleichen inhaltsleeren Phrasen und Parolen haben jedoch bereits die Nazis im Jahre 1939 die Wiedereinführung der erst 1927 abgeschafften staatlichen Registrierung von Sexarbeiter/innen gerechtfertigt.
So lauteten die einschlägigen Bestimmungen im Frick-Heydrich-Erlass von 1939 (2), die die Prostituierten gegenüber einer Ausbeutung durch Vermieter in Schutz nehmen: „Es ist auch darauf zu achten, dass die ortsüblichen Mietsätze nicht in einer Weise überschritten werden, die den Vermietern ungerechtfertigte Gewinnmöglichkeiten gibt.“ „Zu verhindern ist, dass der Vermieter aus dem unzüchtigen Verkehr seiner Mieterinnen über diesen Rahmen hinaus Nutzen zieht.“
Wie gegenwärtig im „Prostituiertenschutzgesetz“ wurden auch seinerzeit von den Nazis die Gesundheitsbehörden zum Zwecke der ordnungsrechtlichen Überwachung von Prostitution instrumentalisiert. So heißt es im Frick-Heydrich-Erlass: „Die von den Prostituierten bewohnten Häuser sind unter Mitwirkung der Gesundheitsbehörden nach sicherheits- und gesundheitspolitischen Gesichtspunkten zu überwachen.“ „Verpflichtung, die für die ärztliche Überwachung gegebenen Weisungen pünktlich zu befolgen“ etc.
Niemals haben ernstzunehmende soziale Bewegungen, die sich gegen Ausbeutung und Profitmaximierung zur Wehr gesetzt haben, zu diesem Zweck die Abschaffung einer bestimmten Tätigkeit gefordert. Sie haben sich vielmehr für eine starke Interessenvertretung der Betroffenen und letztlich für eine Abschaffung von Ausbeutung, nicht aber für die Abschaffung eines speziellen Wirtschaftszweigs eingesetzt. Eine starke Interessenvertretung der Betroffenen im Sexgewerbe – darum geht es! Genau das ist den Abolitionistinnen aber ein Dorn im Auge.
5.
Abolitionistische Gegner der Prostitution sind nicht emanzipativ, sondern durch und durch konservativ und reaktionär bis auf die Knochen. Sie verschweigen, dass sich die Abolitionisten 1933 in Deutschland aus niederen Motiven mit den Nazis gemein gemacht und für Adolf Hitler Partei ergriffen haben. Dieser schrieb in seiner Hetzschrift „Mein Kampf“: „Wer der Prostitution zu Leibe gehen will, muss in erster Linie die geistige Voraussetzung zu derselben beseitigen helfen. Er muss mit dem Unrat unserer sittlichen Verpestung der großstädtischen ‚Kultur‘ aufräumen…“.
Darauf bezogen erklärte die damals führende deutsche Abolitionistin Anna Pappritz:
„Wir begrüßen es mit großer Genugtuung, dass der Reichskanzler in diesen Worten dieselben Ansichten äußert, für die der deutsche Zweig der Internationalen Abolitionistischen Föderation von jeher eingetreten ist… Möchten doch diese Worte des Reichskanzlers ein lebhaftes Echo in den Herzen aller Eltern und Erzieher und in den Herzen der Jugend selbst erwecken und sie anspornen danach zu handeln.“ (3)
Was für eine Schande! Und dann stellen sich die neuen Abolitionisten hin, erteilen Anderen kluge Ratschläge und spielen sich als selbsternannte Vertreter von Sexarbeiter/innen auf. Auf solche Heuchelei und Verlogenheit kann ein liberales Frankfurt gut und gerne verzichten.
6.
Doña Carmen e.V. begrüßt jede Form des Zusammenschlusses von Menschen, die im Prostitutionsgewerbe tätig sind, um gegen die Auswirkungen des so genannten „Prostituiertenschutzgesetzes“ – Entrechtung, Leid, Elend und Existenzvernichtung – Position zu beziehen. Dazu gehört selbstverständlich auch das demokratische Recht von Bordellbetreiber/innen, in Frankfurt und anderswo Tagungen bzw. Kongresse abzuhalten.
An dem in Frankfurt stattfinden Kongress „Zukunft Rotlicht“ beteiligt sich Doña Carmen e.V. nicht. Unser Ziel ist das konsequente Eintreten gegen die Diskriminierung und für die Rechte von Prostituierten. Diesem Ziel dient u. a. die von uns initiierte Verfassungsbeschwerde gegen das „Prostituiertenschutzgesetz“, über die noch in diesem Jahr in Karlsruhe verhandelt wird.
Diesem Ziel dient auch das von Doña Carmen e.V. einberufene, am Freitag, den 1. Juni 2018 stattfindende bundesweite „Frankfurter Meeting Prostitution“, auf dem u.a. RA Meinhard Starostik, Richter am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Verfasser der Beschwerde gegen das „Prostituiertenschutzgesetz“, Prof. Dr. Thomas Zacher, Fachanwalt für Steuerrecht, Köln, sowie Prof. Dr. Monika Frommelt, Rechtsanwältin und ehemalige Direktorin des Instituts für Sanktionsrecht und Kriminologie an der Universität Kiel sprechen werden.
Sexuelle Dienstleistungen haben Zukunft!
Das „Prostituiertenschutzgesetz“ hat keine Zukunft!
Abolitionisten genauso wenig.
Anmerkungen:
(1) Margarete von Galen, Rechtsfragen der Prostitution, 2002
(2) Erlass des Reichs- und preußischen Innenministers Dr. Wilhelm Frick an die Landesregierungen, den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs, den Reichskommissar für das Saarland, den Reichsstatthalter im Sudetengau, den Reichsstatthalter in Hamburg, das Reichskriminalpolizeiamt, die Regierungspräsidenten und Kriminalpolizei(leit)stellen (Berlin, 9. September 1939) vgl.: https://www.donacarmen.de/dokumentation-polizeiliche-behandlung-der-prostitution-frick-heydrich-erlass-vom-9-sept-1939/
(3) vgl. „Der Abolitionist“, Organ des Bundes für Frauen- und Jugendschutz, 32. Jg., Nr. 4 vom 1. Juli 1933