Bundesverfassungsgericht lässt ‚Gegenvorstellung‘ abblitzen:

„Kein Anlass für erneutes richterliches Tätigwerden“

Am 28. Juli 2018 beschloss das Bundesverfassungsgericht zu den von Sexarbeiter/innen, Prostitutionskunden und Bordellbetreiber/innen vorgelegten Verfassungsbeschwerden gegen das Prostituiertenschutzgesetz: „Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.“

„Mangels hinreichender Substantiierung“ – so lautete die offizielle Begründung für diese Entscheidung. Angeblich sei in der vom (inzwischen verstorbenen) Richter am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Meinhard Starostik, abgefassten detaillierten 62-seitigen Beschwerdeschrift nicht ausreichend dargelegt, „welche Beschwerdeführerin und welcher Beschwerdeführer durch welche der angegriffenen Vorschriften in welchem Grundrecht oder grundrechtsgleichem Recht inwieweit verletzt sein könnte“.

Zudem hätte sich die Beschwerdeschrift angeblich nicht mit den Zielen des Prostituiertenschutzgesetzes auseinandergesetzt und lediglich „fiktive Beispiele“ und „allgemeine Statistiken“ ins Feld geführt.

Gegen diese fadenscheinigen Begründungen der Weigerung, die Verfassungsbeschwerde gegen das Prostituiertenschutzgesetz anzunehmen, hat Rechtsanwalt Percy MacLean am 27.08.2018 den informellen Rechtsbehelf einer „Gegenvorstellung“ gegenüber dem Verfassungsgericht eingelegt.

Zwar sind Nichtannahmeentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich unanfechtbar. „Ausnahmsweise besteht jedoch eine Abänderungskompetenz der Kammer, wenn unter Außerachtlassung von entscheidungserheblichem, dem Bundesverfassungsgericht vorliegenden Prozessstoff unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG entschieden wurde“, erklärte Rechtsanwalt MacLean in seiner 9-seitigen Gegenvorstellung (siehe unten).

Ausführlich und detailliert legte er in der „Gegenvorstellung“ dar, dass die vom Verfassungsgericht vorgetragenen Gründe hinsichtlich einer Nicht-Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde zum Prostituiertenschutzgesetz in hohem Maße zweifelhaft sind.

Am 24. 09.2018 hat nun der 1. Senat des Bundes-verfassungsgerichts über eine Justizinspektorin und ohne Angabe von Gründen mitteilen lassen, dass man auch aufgrund der neuerlichen Ausführungen „keinen Anlass“ sieht, erneut richterlich tätig zu werden (siehe unten). Auf das ansonsten übliche und auch gebotene Verfahren, dass die Kammer mittels eines förmlichen Beschlusses über die Gegenvorstellung entscheidet, hat man dabei großzügig verzichtet.

Mit einem solch despektierlichen Verhalten zeigen die Richter/innen der 1. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts erneut, dass sie nicht willens sind, gegenüber dem unsäglichen Prostituiertenschutzgesetz „einen deutlichen Gegenakzent in Richtung Menschenwürde und Grundrechte zu setzen.“ (Percy MacLean)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner neuerlichen Entscheidung grünes Licht gegeben für den ungehinderten Fortgang der gegenwärtig mit großem bürokratischen Aufwand in Gang befindlichen Registrierung sämtlicher Sexarbeiter/innen – ein Anliegen, das sich in Deutschland zuletzt das nationalsozialistische Regime unter Hitler auf die Fahnen geschrieben hatte.

Doña Carmen e.V. nimmt das Verhalten des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis, wird aber nichts unversucht lassen, das Prostituiertenschutzgesetz mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln zu bekämpfen. Eine politische Akzeptanz des auf Diskriminierung, Ausgrenzung und Kriminalisierung von Sexarbeiter/innen zielenden Prostituiertenschutzgesetzes wird es mit Doña Carmen e.V. nicht geben.

Gegenvorstellung vom 27.8.18

Antwort BVerfG vom 24.9.18